Aus der Sicht des Sachverständigen

Verhandlung wegen Wasserschaden Rückstauverschluss und Regenspeicherüberlauf

Wenn Auseinandersetzungen außergerichtlich nicht beigelegt werden können und, von einigen Ausnahmen abgesehen, der Streitwert 5000 € oder mehr beträgt, so wird die Anwaltskanzlei der geschädigten Partei Klage beim Landgericht erheben. Autor Klaus W. König, ö.b.u.v. Sachverständiger für die Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser, stellt in dieser losen Beitragsserie Beispiele vor. Im hier beschriebenen Fall geht es um die Regenwasserableitung im Zusammenhang mit dem Bau einer Regenwassernutzungsanlage und deren Überlauf.

Die Entwässerung eines Einfamilien-Wohnhauses wurde nach und nach, wie Wohnung und Garten auch, ab 2007 erneuert. Der Bauherr beauftragte laufend verschiedene Handwerker direkt mit kleineren Aufträgen. Die Objektüberwachung, also Bauleitung und Abrechnung, übertrug er immer demselben Architekten. Im Jahr 2009 kam es zum Wasserschaden. Als von den Beteiligten niemand die Verantwortung dafür übernahm, klagte der Bauherr gegen den Architekten und einen Handwerksbetrieb auf Schadensersatz. Das zuständige Landgericht prüfte die Rechtmäßigkeit und entschied, nachdem der Versuch einer gütlichen Einigung 2010 gescheitert war, mich als öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen einzuschalten.

Was war geschehen?

Anlass war ein Schadensereignis durch eindringendes Wasser in der Einliegerwohnung im Kellergeschoss des Hauses. Während eines Starkregenereignisses von langer Dauer ist aus dem Ablauf der Dusche Wasser in die ausgebauten Räume eingedrungen. Vor allem Türen, Einbaumöbel, Einrichtungsgegenstände, Bodenbeläge und am Boden stehende Geräte wurden dadurch beschädigt. Die Kosten für Reinigung sowie Austausch bzw. Reparatur betrugen 35 000 €. Was war die Ursache?

Wer trug die Verantwortung?

Der Eigentümer hatte das 40 Jahre alte Wohnhaus drei Jahre vor dem Schadens­ereignis erworben und für sich und seine Frau als Domizil für den Ruhestand um-
bauen lassen. Im Kellergeschoss entstand eine Einliegerwohnung, von der Bauherrschaft als Fitness- und Wellnessbereich genutzt. Auch wurde das Erdgeschoss zum Garten hin um eine Terrasse mit einem Treppenabgang in die Einliegerwohnung erweitert. Dazu mussten vorhandene Regenwasser-Grundleitungen neu verlegt werden. Architekt und Bauherr waren sich einig, in diesem Zuge einen Regenspeicher unter der neuen Terrasse zu platzieren und darin das Wasser vom Dach zu sammeln. Später sollte daraus die Gartenbewässerung gespeist werden.

Viele Köche verderben den Brei

Für den Speicherüberlauf war eine Rigole zur unterirdischen Versickerung vorgesehen. Allerdings wollte man diese erst später, nach Einzug der Bauherrschaft, zusammen mit dem Garten anlegen lassen. So war die für das Versetzen des Kunststoff-Regenspeichers zuständige Montagefirma vom bauleitenden Architekten angewiesen worden, den Speicherüberlauf vorübergehend an die vorhandene Grundleitung anzuschließen.

Da dem Architekten keine Planung, sondern nur die Bauleitung übertragen wurde, gab es keine Ausführungspläne. Mit jeder neuen Idee des Bauherrn entstand ein neuer Bauabschnitt – und brachte den nächsten Ausführungsbetrieb auf die Baustelle. Schnittstellen zwischen den Gewerken waren somit nicht sinnvoll geplant, sondern eher zufällig. Dass dies in einem mehrere Jahre dauernden Bauvorhaben nicht gut gehen konnte, ist nachvollziehbar. Der bauleitende Architekt hätte den Auftraggeber vielleicht darauf hinweisen können. Allerdings war er im Rückblick selbst überrascht, wie viele Ideen, eine nach der anderen, die Bauherrschaft im Lauf der Zeit entwickelt hatte – ohne dass dies vorhersehbar war.

Nach Durchsicht der Akte mit den Stellungnahmen und teilweise widersprüchlichen Behauptungen aller Beteiligten habe ich die streitenden Parteien zum Besichtigungs- und Gesprächstermin an den Ort des Schadens geladen. Bauherr und Bauleiter wurden aufgefordert, alle Pläne mitzubringen – auch solche, die eventuell vom Vorbesitzer des Hauses noch vorhanden waren. Tatsächlich gab es 40 Jahre alte, genehmigte Entwässerungspläne mit der aus heutiger Sicht richtigen Ausführung der Regenentwässerung: Grundleitungen außerhalb des Hauses bis zum Sammelschacht im Vorgarten. Erst dort beginnt der Sammler der Haus- und Grundstücksentwässerung als Mischwasserleitung in den öffentlichen Kanal unter der Straße. Und das war dem ersten Anschein nach noch so beim Ortstermin im Jahr 2010, wie meine Besichtigung ergab.

Man hatte ursprünglich im Zuge der Baugenehmigung keine Rückstausicherung geplant oder gebaut. Das war auch nicht nötig gewesen. Schließlich befanden sich im Keller keine Abwasseranschlüsse unter Rückstauebene (Oberkante Kanalschacht in der Straße). Mit dem Umbau änderte sich das ab 2007. Die Abläufe von WC, Badewanne und Dusche sowie Waschbecken in der Einliegerwohnung machten einen Rückstauverschluss erforderlich, der beim Ortstermin 2010 im Revisionsschacht auch vorhanden war. Soweit schien alles in Ordnung zu sein, der Wasserschaden durch eindringendes Abwasser während Stark­regen 2009 war damit jedenfalls nicht zu klären. Sicher war nur, dass in der Nacht des Schadensereignisses der Rückstaufall vom Mischkanal in der Straße her eingetreten war, der Verschluss funktioniert hatte und von der geschützten Seite, vom Haus her, Regenwasser in die Einliegerwohnung gelaufen sein musste. Wie aber kam es in die Schmutzwasserleitung des Hauses?

Gefahr erkannt, Gefahr (nicht) gebannt

In einem solchen Fall werden vom Sachverständigen beim Ortstermin (vorausgesetzt, es regnet gerade nicht) alle Regen­was­ser­einläufe nacheinander getestet. Das ist aufwendig und bedeutet, in jeden Regenablauf einen Eimer Wasser zu kippen – auch, von der Leiter aus in Höhe der Dachrinne, in jedes dort beginnende Fallrohr – und festzustellen, ob der Abfluss dieser Menge vor oder nach dem Rückstauverschluss im Revisionsschacht ankommt. Doch erfreulicherweise hatte das der Sanitärfachbetrieb zwei Jahre zuvor schon getan und auch eindeutig protokolliert. Denn er wollte im Jahr 2008 den Auftrag für den Einbau von Sanitärgegenständen in der Einliegerwohnung nur kombiniert mit einem automatisch funktionierenden Rückstauverschluss für fäkalhaltiges Abwasser annehmen – wissend, dass dieses Kellergeschoss unter der Rückstauebene liegt. Professionell kalkulierend hatte er die Leistungen mitsamt Kamera­befahrung von Leitungen und Klärung der im Revisionsschacht vorhandenen Zuläufe angeboten.

Bei der Inspektion mit einer Kamera wurde festgestellt, dass zum Abwassersystem des Hauses eine bis dahin nicht bekannte Zuleitung gehörte. Sie war in Verbindung mit Regenwasser-Fallrohren auf der Terrassenseite. Ausgerechnet diese Leitung hatte der Montagebetrieb ein halbes Jahr vorher benutzt, um den Überlauf des Regenspeichers provisorisch anzuschließen. Allen Beteiligten war klar, dass ein Rückstauverschluss erst montiert werden durfte, wenn der drohende Regenüberlauf von oben her ordnungsgemäß an der separaten Regenentwässerung angeschlossen war. Anstatt die Sanitärfirma damit zu beauftragen, wollte man die ohnehin bevorstehende Gartengestaltung vorziehen und mit den Arbeiten an der Versickerungsanlage beginnen. Der Landschaftsgärtner wurde angewiesen, nach Fertigstellung der Rigole den Speicherüberlauf daran anzuschließen. Nun war also die nächste Firma im Spiel und an der Regenentwässerung beteiligt.

Bauleitung im Blindflug

Wie sieben Monate zuvor bei der Montagefirma zum Installieren des Regenspeichers, kamen auch jetzt, für den Landschaftsgärtner, die Anweisungen vom bauleitenden Architekten. Er hatte aber, wie wir bereits wissen, für Außenanlagen und Regenentwässerung keine Ausführungspläne gemacht. Beim Ortstermin hat sich zudem herausgestellt, dass von ihm auch kein Bautagebuch geführt worden war. Nicht einmal Fotos oder Skizzen waren vorhanden zu Lage und Höhe von Anschlüssen, wie z. B. dem Überlauf des Regenspeichers. Die Einbauanleitung des Kunststofftanks alleine wäre für den nun tätigen Gärtner schon eine Hilfe gewesen. Offensichtlich war ich beim Ortstermin im Jahr 2010 der erste, der sich nach einer solchen Produktinformation erkundigte.

Tragisch war, dass der Landschaftsgärtner vor Beginn seiner Tätigkeit nicht auf einer schriftlichen Information zum vorhandenen Regenspeicher bestanden hatte und auch selbst keine Aktennotizen oder Fotos während seinen Arbeiten angefertigt hatte. Im Nachhinein behauptete der Architekt, er habe auf den vorhandenen Zu- und Ablauf des Kunststofftanks hingewiesen – während sich der Gärtner an nichts dergleichen erinnern konnte. Solche Angaben wirken von beiden Seiten wenig professionell. Und wohl auch deshalb waren beide angeklagt, den Schaden verursacht zu haben. Wer nichts Schriftliches und keine Zeugen hat, steht im Streitfall mit leeren Händen da und ist so auch eher verdächtig, fehlerhaft gearbeitet zu haben. Im Gegensatz dazu hatte der Sanitärfachbetrieb alles richtig gemacht. Seine Arbeit war nachvollziehbar proto­kolliert. Seine Ausführung hatte er an bestimmte Voraussetzungen geknüpft – z. B. die Leitungsinspektion und dass ein Rückstauverschluss erst montiert wird, nachdem der Fehlanschluss des Regenspeicherüberlaufs korrigiert ist.

Obwohl der Speicher rechtzeitig vor Installation des Rückstauverschlusses an die Versickerung angeschlossen wurde, ist es ein halbes Jahr später dennoch zum Wasserschaden durch einen Regenwasserüberlauf des Kunststofftanks gekommen. Der Grund war durch den Sanitärfachbetrieb schnell gefunden. Er hatte sich im eigenen Interesse, um sich selbst von Mitverantwortung zu entlasten, zur Fehlersuche angeboten und seine Erkenntnisse für mich, den nachträglich vom Gericht bestellten Sachverständigen, gut dokumentiert. Er fand heraus, dass der Landschaftsgärtner den falschen Speicheranschluss mit der Sickerrigole verbunden hatte. Der 50 cm tieferliegende, bereits ein Jahr vorher vom Montagebetrieb installierte Überlauf Richtung Rückstauverschluss war weiterhin vorhanden.

Wie konnte das geschehen?

Der Montagebetrieb hatte im Jahr 2008, nach dem Versetzen des Speichers und auf Weisung des bauleitenden Architekten, nicht nur Zu- und Ablauf an beiden Enden des liegenden zylindrischen Tanks angeschlossen, sondern ihn auch seitlich komplett verfüllt und oben knapp mit Erde bedeckt. Zum Schutz des empfindlichen Kunststoffmaterials ist das auf einer noch laufenden Baustelle korrekt. Nur leider waren die für den Gartenbaubetrieb wichtigen Leitungen nicht mehr sichtbar. Er hätte sie sicherlich gesucht und freigelegt, wenn er vom Bauleiter klare Angaben erhalten hätte – und, wenn nicht (gut sichtbar am Domschacht) vier weitere mögliche Anschlüsse mit Blindstopfen gewesen wären.

Die Streitfragen

In der Gerichtsakte waren folgende Vermutungen von Seiten des Bauherren und seines Anwalts zu finden. Es ging um Versäumnisse vor allem beim Gartenbaubetrieb. Wäre der Wasserschaden vermieden worden, wenn …

… der Handwerker seine Arbeit umfassender erledigt hätte? War es an ihm, zu prüfen, ob die Voraussetzungen so sind, dass seine Arbeit zum gewünschten Erfolg führt?

… der Handwerker nach Abschluss seiner Tätigkeit seine Arbeit auf korrekte Funktion hin überprüft hätte, z. B. durch einen entsprechenden Wasserversuch?

… der bauleitende Architekt seine Koordination zwischen den verschiedenen Firmen, die am Regenspeicher tätig waren, sorgfältiger ausgeübt hätte?

… der Handwerker in der Situation vor Ort sensibler gewesen wäre? Hätte er so erkennen müssen, dass Zu- und Abfluss am Speicher bereits installiert sind?

Mein Gutachten betont in der Zusammenfassung, dass es meines Erachtens …

… einen wesentlichen Unterschied macht, ob ein Handwerker von der Bauherrschaft direkt beauftragt wird – oder – wie hier – Anweisungen von jemandem erhält, der sich als Bauleiter vorstellt und als solcher vom Auftrag­geber auch bestellt wurde.

… die Verantwortung in Richtung des Bauleiters verschiebt, wenn weder gezeichnete noch geschriebene Unterlagen in einem solchen, nicht typischen Fall vorliegen und dem Handwerker mündlich oder sogar fernmündlich per Telefon Anweisungen erteilt werden.

… keine Chance für den Handwerker gab, die sieben Monate vorher erledigten Arbeiten am Regenspeicher anhand von Spuren im Gelände zu erkennen oder zu erahnen.

Abschließend bin ich der Auffassung, dass der Einbau des Regenwassertanks im vorliegenden Fall der Sache nach (DIN-Norm) als auch dem Verfahren nach (fehlendes Entwässerungsgesuch) mangelhaft war. Wäre dem Verfahren nach richtig vorgegangen worden, hätte der für Entwässerungsgesuche zuständige Eigenbetrieb der Stadt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Fehler in der Sache verhindert. Denn es war zum Zeitpunkt der Planung und Ausführung nach der örtlichen Satzung nicht zulässig, im Zuge von Um- und Neubau Regenwasser in den Mischkanal zu leiten. Insofern hätte die Genehmigungsbehörde bereits den vorübergehenden Anschluss durch den Montagebetrieb im Jahr 2008 verhindert. Der hier verhandelte Wasserschaden wäre dann nicht entstanden. Das Versäumnis des nicht gestellten Entwässerungsgesuchs geht voll zu Lasten des Bauleiters.

Der Rat des
Sachverständigen

Es war kein Zufall, dass der Sanitärfachbetrieb bei dieser Auseinandersetzung völlig unbeschadet blieb. Er hat von Anfang an alles richtig gemacht und war weder angeklagt noch sonst irgendwie in die Schadensregulierung verwickelt. Daher mein Rat:

Bei Angeboten und Aufträgen zu Sanitär-Einrichtungsgegenständen oder Bodenabläufen unter der Rückstauebene Auftraggeber und Bauleitung schriftlich auf die Notwendigkeit von Rückstauverschlüssen hinweisen.

Bei Umbau und Renovierung an fremden Objekten im Falle eines Rückstauverschlusses Zuläufe prüfen und feststellen, ob Fehlanschlüsse von Regenwasser ins Schmutzwasser des Hauses vorhanden sind.

Bei unbekannten Entwässerungssystemen Bestandsaufnahme anbieten – und diese zur Bedingung machen bei Anfragen zur Erweiterung oder Änderung des Entwässerungssystems.

Zustand des Abwassernetzes mit Entwässerungsgesuch vergleichen. Dieses kann beim zuständigen Amt eingesehen oder kopiert werden, falls die Auftraggeber es nicht greifbar haben.

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