Differenzdruck-Thermografie

Leckagen lokalisieren und dokumentieren

Um die Luftdichtheit von Gebäuden zu bestimmen, können Differenzdruck-Messtechnik und Thermografie kombiniert eingesetzt werden. Die Thermografie ergänzt und erweitert dabei die Möglichkeiten der Differenzdruck-Messung, um Undichtigkeiten in der Gebäudehülle zu lokalisieren und zu dokumentieren. Welches Equipment ist erforderlich und was ist bei der Messung und Auswertung zu beachten?

Die Differenzdruck-Messtechnik ist nicht nur ein bewährtes Werkzeug zur Bestimmung der Luftwechselrate und damit der Luftdichtheit von Gebäuden, sondern dient in Verbindung mit der Thermografie auch zur Ortung und Dokumentierung von Luftleckagen. Dabei wird zunächst über ein Gebläse ein konstanter Unterdruck von ca. 50 Pascal (Pa) eingestellt. Die an den Leckagestellen einströmende Außenluft lässt sich dann raumseitig anhand der geänderten Oberflächentemperaturen thermografisch nachweisen und dokumentieren. Bei der technischen Ausstattung, Durchführung und Auswertung sollte man jedoch auf einiges achten.

Messprinzip und Einsatzbereiche

Undichtigkeiten in der Gebäudehülle sind per Thermografiekamera nicht ohne weiteres erkennbar, da sich die ins Gebäude einströmende Luft unter Normalbedingungen zuvor erwärmt. Wird die Wärmebildtechnik mit dem Differenzdruck-Messverfahren kombiniert, lassen sich Lecks in der Gebäudehülle schnell, berührungs- und zerstörungsfrei lokalisieren und dokumentieren, weil sie sich als Temperaturunterschiede zu erkennen geben. Die Luftleckageortung per Thermografiekamera basiert darauf, dass die Luftdurchströmung im Leckagebereich eine Abkühlung der unmittelbar umgebenden Bauteiloberflächen bewirkt und diese als Temperaturunterschiede auf dem Display der Infrarot-Kamera sichtbar werden. Die Luftdurchströmung wird in der Regel mit einem Gebläse erzeugt, das mit Hilfe eines verstellbaren Metallrahmens und einer Plane luftdicht in eine Haustür-, Balkon-/Terrassentür- oder Fensteröffnung eingesetzt wird. Bei Thermografie-Aufnahmen von innen wird ein Unterdruck erzeugt, so dass die ­kalte Außenluft durch vorhandene Leckagen in dasGebäude strömt und dabei die Randbereiche der Leckagestelle abkühlt. Da schon geringe Temperaturdifferen­zen zwischen innen und außen ausreichen (ab 5 Kelvin), lässt sich die Differenzdruck-Thermografie nahezu ganzjährig einsetzen. Zwar kann auch durch einen im Gebäudeinneren erzeugten Überdruck eine Durchströmung der Konstruktion von innen nach außen mit warmer Luft erzeugt werden. Aufgrund des höheren Wärmeübergangs an der Außenluft und einer Abkühlung durch Wind erwärmen sich Außenbauteile allerdings kaum. Die Temperaturunterschiede fallen dadurch geringer aus als bei der Leckageortung von innen, weshalb diese Methode nur in Ausnahmefällen genutzt wird [7].

Insgesamt sind die Einsatzmöglichkeiten der Differenzdruck-Thermografie sehr vielfältig: Leckagen an Dampfbremsen, Sperrschichten oder Bauteilübergängen lassen sich ebenso lokalisieren und dokumentieren, wie Planungs-, Konstruktions-, Montage- und Ausführungsfehler. Auch Sanierungsmaßnahmen lassen sich damit eingrenzen oder die Qualität der Ausführung überprüfen. Das Verfahren ist prinzipiell bei allen Gebäudearten und Bauweisen einsetzbar; besonders effizient ist es bei großen Gebäuden wie etwa Turnhallen, Hallenbädern oder Gewerbe- oder Industriehallen. Große Gebäude mit wenigen, hohen Räumen lassen sich mit relativ wenig Aufwand kostengünstig überprüften und zugleich dokumentieren. Eine alternative Überprüfung der Leckagestellen mit einem Nebelgenerator, Rauchröhrchen oder Anemometer (Strömungsmessgerät) ist ungleich aufwendiger. Mit der Verbesserung der Luftdichtheit lassen sich oft auch Belästigungen durch Gerüche minimieren oder der Schallschutz verbessern. Diese Probleme treten insbesondere zwischen verschiedenen Wohnungen innerhalb eines Hauses oder gewerblich genutzten Räumen und benachbarten Wohnungen auf.

Wie werden Leckagestellen sichtbar?

Entsteht bei der Differenzdruckmessung eine Temperaturdifferenz zwischen innen und außen von mindestens 5 Kelvin, ist sie auf dem Kameradisplay erkennbar – je höher der Temperaturunterschied ist, desto besser. Die Ränder der abgekühlten Bereiche erscheinen infolge der Luftdurchströmung auf dem Kameradisplay nicht scharf umrissen, sondern „ausgefranst“ als „Schleier“. Ist dies der Fall, kann relativ zuverlässig auf vorhandene Luftleckagen geschlossen werden. Nicht immer lässt sich jedoch anhand einzelner Thermogramme sicher beurteilen, ob die Temperaturunterschiede aufgrund von Leckagen auftreten oder andere Gründe, wie Wärmebrücken, haben und welcher Effekt überwiegt. Hinzu kommt, dass Wärmebrücken an Bauteilübergängen oder Durchdringungen zugleich auch Luftleckagen aufweisen, so dass sich beide Effekte häufig überlagern. Diesen unbestimmten Bereichen kann man mit der „Differenzmethode“ auf den Grund gehen: Dabei werden mit Hilfe eines Stativs vom fraglichen Bereich jeweils zwei Thermo­gramme mit demselben Bildausschnitt erstellt: ein Thermogramm wird ohne, das andere mit Druckdifferenz erstellt. Beide Thermogramme werden anschließend übereinander gelegt und voneinander „abgezogen“. Auf dem daraus entstehenden Differenzbild sind dann nur die durch die Luftdurchströmung bedingten Temperaturdifferenzen sichtbar. Eine entsprechende Differenzbild-Funktion ist in den meisten Auswertungsprogrammen der Thermografiekamera-Hersteller enthalten. Eine sichere Leckagenerkennung auch bei sehr kleinen Temperaturdifferenzen verspricht auch die Software „Bau.Tools“ von BlowerDoor. Fehlstellen, die aufgrund sehr geringer Temperaturunterschiede im Thermogramm kaum oder gar nicht zu erfassen sind, werden präzise berechnet und visualisiert. Dabei werden alle im Untersuchungszeitraum aufgenommenen Thermogramme rechnerisch ausgewertet und nur die Veränderungen anschließend bildlich dargestellt. Laut Anbieter lassen sich so Luftleckagen und Lufthinterströmungen sicher erkennen und von anderen Problemen abgrenzen. Allerdings ist die Software nur mit spezieller BlowerDoor-Messtechnik und einer FLIR-Wärmebildkamera einsetzbar.

Welches Equipment ist erforderlich?

Mit der aktuellen DIN EN ISO 9972 [1] wurden die Genauigkeitsanforderungen an die Differenzdruckmesstechnik gegenüber der alten DIN EN 13829 [2] verschärft. So muss das Druckmessgerät Druckdifferenzen mit einer Genauigkeit von ± 1 Pa im Bereich von 0 bis 100 Pa (früher: ± 2 Pa im Bereich von 0 bis 60 Pa) messen. Das Thermometer muss eine Genauigkeit von ± 0,5 K (früher: ± 1 K) aufweisen. Wichtig bei der Auswahl ist auch der Förderbereich des Ventilators, der mit etwa 19 bis 7200 m³/h sowohl Messungen luftdichter Wohnungen als auch undichter Räume (z. B. Hallen) ermöglichen sollte. Wurden für die Lokalisierung von Luftlecks bisher Rauchgeneratoren eingesetzt, werden inzwischen die schneller und einfacher einsetzbaren Wärmebildkameras bevorzugt, die Leckagen gleichzeitig auch dokumentieren können. Mit einem Thermo-Anemometer kann bei Bedarf zusätzlich die Temperatur und Geschwindigkeit der Luftströmung im Leckagenbereich gemessen werden. Zum weiteren Zubehör gehört Abdichtungsmaterial wie Abdichtblasen, Malerkrepp und Malerfolie. Sollen mit der Thermografiekamera auch Wärmebrücken lokalisiert werden, sollte sie gemäß VATH-Richtlinie Bauthermografie (www.vath.de)
für Gebäudeanalysen geeignet sein, d.h. beispielsweise über eine Detektorauflösung von mindestens 320 x 240 IR-Bildpunkten sowie eine thermische Auflösung (NETD-Wert) von mindestens 0,06 Kelvin (bei 30°C) verfügen. Für die Differenzdruck-Leckageortung genügen aufgrund der höheren Temperaturunterschiede auch einfachere Kameradaten: mindestens 160 x 120, empfohlen: 320 x 240 IR-Pixel, NETD < 0,1 Kelvin. Um einen möglichst großen Raumausschnitt zu erfassen, ist ein Weitwinkel-Objektiv empfehlenswert. Die in der Regel kosten­frei mitgelieferte Auswertungssoftware sollte die Erstellung aussagekräftiger Berichte ermöglichen. Auch an das Messpersonal stellt die Differenzdruck-Thermografie Anforderungen: Es sollte gemäß VATH-Richtlinie mindestens über eine dreitägige Grundausbildung zum Thermografie-Messtechniker verfügen. Über die Gerätebedienung hinaus sollte sich das Messpersonal auch mit Fehlerquellen und Grenzen der Differenzdruck- und Thermografie-Messtechnik auskennen und Messergebnisse korrekt interpretieren können. Das setzt sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Auswertung Kenntnisse aus den Bereichen Bauphysik, Optik, Wärmestrahlung, Wärmeleitung, Messtechnik, Materialkunde und Baukonstruktion voraus. Kenntnisse über verwendete Materialien und den konstruktiven Aufbau des jeweiligen Messobjekts sind ebenso wichtig, denn sie helfen bei der Deutung thermischer Auffälligkeiten. Auch die Gebäudeausrichtung, Hauptwindrichtung oder das Nutzungsprofil können bei der Bewertung und Interpretation hilfreich sein. Daher ist es von Vorteil, wenn beispielsweise der Eigentümer/Mieter bei der Messung dabei ist, respektive für Fragen zur Verfügung steht. Ferner sollten aktuelle Bestandsgrundrisse, Schnitte, Detailpläne und Baubeschreibungen in Form von Kopien für den Thermografie-Bericht verfügbar sein.

Fazit: Ein ideales Team

Neben der Bestimmung der Luftwechselrate oder der Überprüfung der Qualität der Gebäudehülle kann die Differenzdruck-Methode in Verbindung mit der Thermografietechnik auch für die Luftleckage-Ortung nahezu ganzjährig und sehr effizient eingesetzt werden, weil sich Leckagestellen schneller orten und dokumentieren lassen. Beide Messverfahren ergänzen sich also in idealer Weise: sowohl die Möglichkeiten als auch die Einsatzdauer wird erweitert und auch die Anschaffungskosten für das technische Equipment amortisieren sich schneller. Die Temperaturunterschiede im Wärmebild korrekt zu interpretieren, setzt jedoch Fachwissen aus den Bereichen Differenzdruck  und Thermografie-Messtechnik und nicht zuletzt Erfahrung voraus, sonst können Fehlinterpretationen entstehen.

Regelwerke, Literatur und Quellen*

[1] DIN EN ISO 9972: Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden – Bestimmung der Luftdurchlässigkeit von

Gebäuden, Differenzdruckverfahren, Beuth, Berlin 2018-12.

[2] DIN EN 13829 (Dokument zurückgezogen): Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden –

Bestimmung der Luftdurchlässigkeit von Gebäuden, Differenzdruckverfahren, Beuth, Berlin 2001-02.

[3] DIN 4108-7 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden, Teil 7: Luftdichtheit von Gebäuden, Anforderungen,

Planungs- und Ausführungsempfehlungen sowie -beispiele. Beuth, Berlin, 2011-01.

[4] DIN EN 13187: Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden – Nachweis von Wärmebrücken in Gebäudehüllen –

Infrarot-Verfahren, Beuth, Berlin 1999-05.

[5] DIN EN ISO 9712: Zerstörungsfreie Prüfung - Qualifizierung und Zertifizierung von Personal der zerstörungsfreien

Prüfung, Beuth, Berlin 2012-12.

[6] Fouad, N.A./Richter T.: Leitfaden Thermografie im Bauwesen, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2009.

[7] Geißler, A.: Blower Door und Thermographie - Möglichkeiten und Fallstricke, e.u.z. 6. BlowerDoor-Symposium, Springe-Eldagsen 2001.

[8] VATh: Richtlinie: Bauthermografie zur Planung, Durchführung und Dokumentation infrarotthermografischer

Messungen an Bauwerken oder Bauteilen von Gebäuden, Bundesverband für Angewandte Thermografie e.V.;

Nürnberg 2016.

[9] Wagner, H.: Thermografie – Sicher einsetzen bei der Energieberatung, Bauüberwachung und Schadensanalyse,

Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, Köln 2011.

* Auswahl, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Was sollten Leckageberichte enthalten?

Ein Leckagebericht macht Messungen, deren Auswertung und Interpretationen transparent, nachvollziehbar und für Laien verständlich. Folgende Rahmendaten sollte er enthalten: die Aufgabenstellung, den Auftraggeber/ nehmer und die Teilnehmer, ferner Klimadaten (Innen-/Außentemperatur, Wetter, Sonneneinstrahlung, Wind etc.), Objektdaten (Adresse, Gebäudetyp, einen Lageplan mit Himmelsrichtung, die Konstruktionsweise und Materialien der Gebäudehülle, das Gebäudealter, ggf. durchgeführte Renovierungsarbeiten, Heizsystem), Messgeräte-Daten (Hersteller, Gerätemodell, Serien-Nummer, wichtige technische Daten), Bildinformationen zu jedem Thermogramm (Datum und Aufnahmezeit, Farbpalette mit Temperaturskala, Emissionsgrad, die reflektierte Temperatur, Objektentfernung etc. Inhaltlich sollten sich Leckageberichte an den Vorgaben der DIN EN ISO 9972 orientieren und zusätzlich zu den Messreihen für die Luftwechselrate, der Flächen- und Volumenberechnung und der Randbedingungen wie Temperatur, Feuchte, Windgeschwindigkeit auch die kommentierte Dokumentation der lokalisierten Leckagen enthalten, beispielsweise durch ein Thermogramm und ein paralleles Digitalfoto. Zur besseren Orientierung sinnvoll ist insbesondere bei zahlreichen Aufnahmen ein im Grundriss eingetragener Aufnahmestandpunkt mit Blickrichtung. Problembeschreibungen (Leckagestellen, Wärmebrücken, feuchte Stellen etc.) sollten mit passenden Vorschlägen zu deren Beseitigung ergänzt werden. Eine auf die konkrete Aufgabenstellung bezogene Schlussfolgerung und Zusammenfassung sollte den Bericht abschließen. Bei längeren Berichten ist ein Inhalts- und Stichwortverzeichnis sinnvoll.

Weitere Infos im Web*

www.bauthermografie-luftdichtheit.de (Dienstleister mit vielen Beispielen)

www.flib.de (Fachverband Luftdichtheit im Bauwesen)

www.luftdicht.de (Blower-Door + Thermografie etc.)

www.thech.ch (Thermografie Verband Schweiz)

www.thermografie.co.at (Österr. Gesellschaft für Thermografie)

www.thermografie.de (Dienstleister mit vielen Praxisbeispielen)

www.vath.de (Bundesverband für angew. Thermografie)

Anbieter*

Differenzdruck-Messsysteme: www.blowerdoor.de, www.tecalor.de, www.proclima.de, www.retrotec.com, www.woehler.de

IR-Kameras: www.bosch.de, www.flir.de, www.fluke.de, www.infratec.de, www.irpod.net, www.milwaukeetool.de, www.opgal.com, www.pce-instruments.com, www.testboy.de, www.testo.de, www.thermal.com, www.trotec.de

Dienstleister: www.architekt-rehmert.de, www.bauthermografie-luftdichtheit.de, www.blower-door-international.de, www.blowerdoor-mainz.de, www.ean50.de, www.energieberatung-eilers.de, www.gbm-trier.de, www.ing-jessen.de, www.tuv.com

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