Bauteilaktivierung über
Photovoltaiksystem

my-PV sammelt im eigenen Headquarter erste Erfahrungen

Die Bauteil- bzw. Betonkernaktivierung sind etablierte Begriffe, die das Konzept einer Fundamentplatte als Wärmespeicher beschreiben. In der Regel werden dafür hauptsächlich wassergeführte Rohrleitungen genutzt. Im neuen Gebäude des Unternehmens my-PV wählte man einen anderen Weg. Hier wurde erstmalig in einer Produktionsstätte die Nutzung von elektrischen Leitungen realisiert, die über PV-Module gespeist werden.

Ein durch Photovoltaikstrom unterstütztes Gebäude sollte über eine thermische Speichermasse verfügen, um die ganztägige Sonnenenergie optimal nutzen zu können. Der Hersteller my-PV hat sich diesen Slogan bei der diesjährigen Erweiterung seines Firmen- und Produktionsstandorts auf die Fahnen geschrieben. Für die energetische Versorgung sollte allerdings die eigene Philosophie der rein solarelektrischen Gebäudetechnik und der Speicherung von PV-Überschuss in Wärme genutzt werden. Während üblicherweise Wasser oder Luft als Energieträger zum Aktivieren des Betonkerns eingesetzt werden, erfolgt dies zum allerersten Mal per Elektroheizdrähte, die in das Fundament eingegossen wurden. Die Energie dafür wird zum größten Teil des Jahres von der Sonne zur Verfügung gestellt. Die Photovoltaik Power-Manager AC THOR 9s von my-PV sorgen dabei für eine Dosierung der Heizleistung. Erst die stufenlose Leistungsmodulation sollen elektrische Wärmeerzeuger photovoltaiktauglich und somit „PV-ready“ machen. Eine 100 kWp Photovoltaikanlage, die auf dem Pultdach und an der Fassade des Gebäudes angebracht wird, stellt hierfür Überschussenergie bereit.

Grundvoraussetzungen müssen geschaffen werden

Grundvoraussetzung für ein solches Konzept ist ein hoher, zeitgemäßer Dämmstandard des Gebäudes. Denn die Oberflächentemperatur der aktivierten Fundamentplatte kann nur wenige Grad über der gewünschten Raumtemperatur liegen. Andernfalls würde die Behaglichkeit in den Räumen beeinträchtigt werden. Dazu wird das neue Firmengebäude in Holzleichtbauweise ausgeführt. Neben der Verwendung nachhaltiger Rohstoffe wird dadurch auch der thermische Standard eines Niedrigenergiehauses erreicht.

Optimaler Einsatz der Umweltenergie

Regenerative Energieerzeuger wie Photovoltaik unterliegen naturgemäß einer schwankenden Produktion. Der Bedarf von Raumwärme deckt sich zeitlich oft nicht unmittelbar mit dem zur Verfügung stehenden Überschuss an sauberer Umweltenergie. Durch die Speicherung der anfallenden Produktionsspitzen in der Bauteilmasse lässt sich aber ein erheblicher Anteil der zur Verfügung stehenden PV-Überschussleistung unmittelbar vor Ort nutzen. Die riesige Masse des Betons stellt dabei ein geeignetes und kostengünstiges Speichermedium für Wärme dar und ermöglicht auch bei ganzjähriger Betrachtung hohe Autarkiegrade.

Üblicherweise setzt man für die Be­ladung des Betonspeichers stets auf die Medien Wasser oder Luft. Nun wird als Energieträger erstmals Strom für eine leistungsgeregelte 40 kW Elektroheizung verwendet. Die Heizlast dieses Niedrig­energiegebäudes ist mit 14 kW zwar deutlich niedriger, jedoch steht dadurch ein sehr großer Regelbereich zur Beladung des Wärmespeichers zur Verfügung. Leistungsspitzen werden damit ausgeglichen.

Vergleicht man die Masse der Fundamentplatte und die Wärmespeicher­kapazität von Beton mit den Werten von Wasser, ist das Ergebnis überraschend. „Schon bei wenigen Kelvin Erwärmung wird so viel Energie gespeichert, als würde man 12.000 l Wasser um 50 °C erhitzen“, so das Ergebnis des Herstellers. Dabei kommt der Doppelnutzen des Fundaments zum Vorschein: „Neben den statischen Aufgaben erspart dieses Bauteil durch die Bauteilaktivierung einen größeren hydraulischen Wärmespeicher und den Aufwand für unzählige Verteilleitungen.“ Vorteil: Die Solarenergie wird erst dort in Wärme umgewandelt, wo sie benötigt wird – direkt im Boden.

Erfahrungswerte sammeln

Die materiellen und monetären Aufwände für die Haustechnik lassen sich signifikant reduzieren. Im Einfamilienhaus, wie auch im mehrgeschossigen Wohnungsbau, wurde das Konzept bereits mehrfach erfolgreich umgesetzt. Doch ist solarelektrische Haustechnik auch für ein Produktionsgebäude funktionstauglich und sind damit hohe Autarkiegrade erreichbar? Da es sich um ein Pilotprojekt handelt, ließ sich hier nicht auf vorhandene Erfahrungen bauen. Zur Beantwortung dieser Fragen wurde das Konzept daher vorab ausführlich simuliert und Heiz- sowie Kühllasten ganz genau berechnet.

Der prognostizierte Jahresertrag am Standort beläuft sich auf über 80.000 kWh Solarstrom, so viel wie 20 Haushalte durchschnittlich pro Jahr benötigen. Dank der Fassadenintegration eines Teils der Module wird ein nicht unwesentlicher Ertrag davon im Winter zur Verfügung stehen. Also genau dann, wenn Energie für die Gebäudeheizung erforderlich ist. Somit wird trotz der hohen PV-Leistung von 100 kWp ein Drittel der erzeugten Energie direkt im Gebäude verwendet werden können. Sommerliche Überschüsse werden in das öffentliche Stromnetz eingespeist.

Kühlen mit Parallelsystem

Kühlen kann die solarelektrische Bauteilaktivierung zwar nicht, aber für ein Betriebsgebäude dieses Typs wäre dieser Weg laut Hersteller auch nicht zielführend: „Flächenkühlungen, die über den Fußboden oder per Kühldecken wirken, ermöglichen keine Feuchtigkeitskonditionierung der Luft.“ Darüber hinaus beinhaltet eine Kühldecke die Gefahr der Bildung von Kondensat. Aus diesem Grund wird für die Kühlung eine reversible Wärmepumpe verwendet. Übertragen wird die Energie für die Klimatisierung der Büro- und Produktionsflächen über ein VRF-Kühlsystem (variable refrigerant flow),­ wodurch ein optimales Behaglichkeitsgefühl für Besucher und Mitarbeiter geboten werden soll. Dabei gibt es eine Außenkondensationseinheit, die mit mehreren Innenverdampfungseinheiten verbunden ist. Pro Inneneinheit kann die Menge an Kältemittel moduliert werden, um in den verschiedenen Gebäudebereichen individuelle Komfortregelungen zu ermöglichen.

Die Antriebsenergie für das Kühlsystem kommt ebenfalls von der Photovoltaikanlage. Berechnungen zufolge werden zukünftig 80 % dieser Energie vom PV-Kraftwerk am Gebäude übernommen. „Die jährlichen Betriebskosten für Strom und Wärme liegen voraussichtlich bei ca. 2.100 Euro“, so Dr. Gerhard Rimpler, Geschäftsführer von my-PV. Ganz genau könne man das aufgrund der üblichen Restunschärfe bei den Berechnungen im Vorhinein nicht sagen, aber es sei ein Novum, ein Betriebsgebäude in dieser Größe derart günstig betreiben zu können.

Fazit

Im Haus der Zukunft ist alles rein elektrisch, größtenteils solarelektrisch. Das gilt auch für die Heizung in Betriebsgebäuden. Wärmeerzeugung, die ohne bewegliche Teile auskommt, ist überdies nicht nur wartungsfrei, sondern auch völlig geräuschlos. Dr. Gerhard Rimpler: „Unser Slogan „Kabel statt Rohre“ steht für ein System, dass die Installation und den Betrieb vereinfachen. Das Konzept ist bei entsprechender Dimensionierung der Photovoltaikanlage außerdem sauber und nachhaltig.“

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