Planung und Umsetzung barrierefreier Bäder
Altersgerecht dank smarter Komponenten
Bäder, die barrierefrei sein sollen, halten oft nicht, was sie versprechen. Dabei ist in Normen genau festgelegt, was sie leisten müssen. Aber: Im Bestand ist die DIN 18040 kaum umsetzbar. Die Fehler beginnen oft schon bei der Planung, lassen sich aber vermeiden. Bei der Umsetzung aller Funktionen helfen auch smarte Komponenten, die für Licht, Wasser oder Sturzsicherheit zur Verfügung stehen.
Das Problem der Barrierefreiheit, die keine ist, ist tatsächlich gegeben. Der Branchenverband ZVSHK hat in seiner aktuellen Studie „Erfolgsfaktor Badezimmer für die ambulante Pflege“ 20 in Bestandsgebäuden altersgerecht angepasste Kleinstbäder unter 5 m² untersucht und ermittelt, dass nur in einem dieser Bäder eine eigenständige Nutzung nach fortschreitenden Beeinträchtigungen der Nutzer und eine spätere Pflege unter Berücksichtigung der Anforderungen der Pflegenden möglich sei. „Das ist kaum verwunderlich“, meint Jens J. Wischmann, Geschäftsführer des Branchenverbandes Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS). „Denn bei einigen Bädern dieser Größe ist ein solcher bedarfsgerechter Umbau nicht möglich.“
So gab es selten ebenerdige Duschen, dafür meist feststehende Duschkabinen mit Bodenschiene und einen Eckeinstieg mit einer Öffnung 30 x 30 cm, die viel zu klein ist. Die Toilette wurde zudem meist nicht erhöht angebracht. Die Türbreiten waren oft zu gering, die Waschbecken zu schmal und zu flach für den Pflegegebrauch. Die Ablagen rund ums Waschbecken waren zu hoch und nicht ohne Hilfe zu erreichen. Ähnliches galt für Spiegel. Auch zusätzliche Steckdosen, etwa für nachträglich zu installierende Dusch-WCs, fehlten. Ebenso wurden die Bäder häufig in weiß ausgeführt, was bei sehbehinderten Menschen für Desorientierung sorgt.
Barrierefreiheit genau geregelt
Die hohe Fehlerzahl verwundert, da sehr genau geregelt ist, wie ein barrierefreies Bad auszusehen hat. Denn die DIN 18040-2 ist die wesentliche Grundlage der Planung im Neubau. „Im Bestand kann man sie nur bedingt anwenden, jedoch zur Orientierung nutzen“, empfiehlt Matthias Thiel, Referatsleiter Betriebswirtschaft, Datenmanagement und Demografischer Wandel im ZVSHK. Zu beachten wären auch die VDI 6008 „Barrierefreie Lebensräume“ und diverse weitere Normen für spezielle Planungen, wie DIN 1450:2013-04 „Schriften - Leserlichkeit“ sowie DIN 32977-1: 1992-07 „Behindertengerechtes Gestalten“. Zu den Planungsfacetten Farbe, Elektro, Türen und Bodenbeläge gebe es, so Thiel, weitere tiefergehende Nachschlagewerke. Sein Verband bietet extra für dieses Problemfeld die Fachschulung „Barrierefreies Bad“ an, die sogar eine Anerkennung bei den Krankenkassen besitzt.
Vorbereitung bereits in Bauphase
Doch wie nun ist ein barrierefreies Bad zu planen? Der Übergang von der generationsübergreifenden Alltagsnutzung zum Unterstützungsbad und weiter zum pflegegerechten Bad müsse bereits während der Bauphase präventiv vorbereitet werden, so Thiel. Dazu gehöre, dass Wandstrukturen und -vorbauten an allen Stellen verstärkt werden müssen, da an ihnen später das Festhalten an Einrichtungsgegenständen möglich sein soll oder Lifter und hängende Schränke angebracht werden müssen. Wischmann sieht hier die Gefahr, dass sich viele Wände, etwa Trockenbau, gar nicht in dem Maße verstärken lassen, wie es nötig wäre. Dann, so der Experte, würde es teuer, weil noch eine geeignete Tragkonstruktion mit eingebaut werden müsse. Die Toilettenanschlüsse müssen von vornherein mit einer manuellen Höhenverstellung ausgestattet werden. Zusätzlich zu einer großzü-gigen Ausstattung mit Stromanschlüssen sollten an alle potenziellen Verbrauchsstellen Leitungen gelegt werden.
Vor diese Arbeiten stellt Wischmann erst einmal eine Analyse über das konkrete Nutzungsverhalten der Bewohner. Wenn etwa ein Pfleger zur täglichen Körperhygiene nötig sei, braucht es genügend Platz. Gleiches gelte für die Abstellmöglichkeiten für Rollstuhl oder Rollator. Wischmann empfiehlt auch eine Koordination aller Gewerke, weil gerade bei solchen Bädern die Fehlerquote immer wieder hoch sei. „Häufig kennen sich die Auftraggeber nicht mit den Produkten aus“, so Wischmann. Deswegen solle man vor Ort jemanden beauftragen, der so etwas schon mal installiert hat.“
Smartes Bad ist altersgerecht
Insbesondere die zukunftsweisende Elektroinstallation im Bad muss zahlreiche Elektroanschlüsse an genau definierten Stellen vorsehen. Denn im Sinne eines alters- oder krankheitsunterstützenden Wohnungsumfeldes (AAL für Ambient Assisted Living) sollten sich Toiletten und Waschtische in der Höhe verstellen lassen. Dafür benötigen sie ebenso Strom wie Badewannen, Duschen oder Whirlpools, Zusatzaggregate in Heizkörpern, automatische Fensteröffnungen oder Lüftungssysteme bis hin zu intelligenten Spiegeln. Aber auch Wasserhähne oder Händetrockner lassen sich in diesem Sinne digitalisieren. Der SHK-Handwerker muss hier also immer auch ein Elektriker sein oder ihn zumindest an seiner Seite wissen. Als Richtlinie kann die VDI 3812 Blatt 1:2010-03 herangezogen werden.
In der Automation sieht Wischmann auch eine Hürde. Gerade ältere BUS-Komponenten würden nur begrenzte Nachrüstbarkeit nach über zehn Jahren haben. Die Lebensdauer eines Bades liegt jedoch bei gut 30 Jahren: „Ich sehe es mit Sorge, was passiert, wenn nichts ersetzbar ist.“ Eine Lösung liege im Building Information Modeling (BIM). Bei dieser Planungs-methode werden alle Informationen eines Gebäudes digital hinterlegt, was hinterher auch dem Betrieb nutzen kann.
Ist das Haus smart ausgerüstet, können verschiedene Funktionen ebenfalls eingebunden werden. Das lässt eine Steuerung via Apps mittels extra auf Senioren oder Behinderte zugeschnittenen Handys zu. Steuern lässt sich so fast alles: die höhenverstellbare Toilette, Lichtschalter, Musik oder die Wassertemperatur und die Wassermenge etwa für die Badewanne. Gleichzeitig können so Profile hinterlegt werden, etwa Zeit, Licht und Tempera-turen fürs Waschen am Morgen.
Funktionsweise AAL-Bad
Der ZVSHK hat ermittelt, wie ein AAL-gerechtes Bad funktionieren sollte. Zuerst muss das Bad, wenig überraschend, hygienisch sein. Alles, also auch die gut les- und bedienbaren Armaturen, müssen sich deswegen leicht reinigen lassen. Eine große Nachfrage erlebten, so Thiel, deswegen etwa Toiletten ohne Spülrand, in dem sich Schmutz ansammeln könne. Richtig smart seien jedoch Dusch-WCs, die während dem Toilettengang schlechte Gerüche absaugten und danach auf Knopfdruck den Schambereich mit Wasser reinigten und mit warmer Luft trockneten.
Hygienefördernd seien zudem sensorgesteuerte Seifenspender, Wasserhähne und Händetrockner. Einen weiteren Puzzlestein stelle eine berührungslose Lichtsteuerung dar. Alternativ gäbe es Schaltersysteme, die antibakteriell bzw. antimikrobiell ausgerüstet sind.
Zudem müssen die Bäder groß genug sein. In ihnen finden zunehmend Wellness-Geräte wie Whirlpools, Saunen oder auch Fitnessgeräte Platz. Duschen und Badewannen können mit Funktionen ausgestattet werden, welche die Entspannung durch Licht, Klänge, Düfte, Dampfanwendungen und Massagefunktionen unterstützen.
Ein wichtiges Gerät für die Kontrolle des eigenen Gewichts und damit der Gesundheit ist die Waage. Sie findet sich auf Grund der Ankleidesituation häufig im Bad. „Im Krankheitsfall kann sie gegebenenfalls mit einem telemedizinischen Zentrum verbunden werden, im Falle der Selbstkontrolle mit dem Internet und einer Fitness-App“, so Thiel.
Auch Fernseher, Radios und andere Multimediageräte finden ihren Platz im Bad. Speziell wurden Geräte entwickelt, die gut mit Feuchtigkeit und Wärme zurechtkommen – anders etwa als Handys, die darunter leiden können. „Der Spiegel entpuppt sich zunehmend als Multifunktionsgerät mit integrierten Leuchten, Lautsprechern, Abspielgeräten, Fernseher und Internet“, so Thiel weiter.
Sicherheit im Fokus
Ein wesentlicher Aspekt ist natürlich die Sicherheit. Bäder können gerade für ältere und gehandicapte Menschen gefährlich sein. Brillen können anlaufen und den Blick verschleiern, der Boden ist rutschig und Einstiege in Wannen oder Duschen zu hoch. Diese „Fallen“ sollten etwa durch Lifter oder rutschfeste Stiege und Matten barrierefrei gemacht werden. Alle Gegenstände im Bad sind hart, die Verletzungsgefahr ist also groß. Zur Orientierung in der Nacht können etwa automatische Beleuchtungen dienen, zur besseren Standfestigkeit rutschhemmende Bodenbeläge. Wichtig sind auch im Bad installierte Notrufsysteme und Sturzmatten oder spezielle Fliesen, die Stürze registrieren und etwa an den Pflegedienst melden. Empfehlenswert sind Lüftungssysteme gegen die Schimmelbildung, da man im Alter schnell mal das Lüften mittels Badfenster vergisst.
Wichtig wäre auch ausreichende Wärme, da insbesondere Senioren ein hohes Wärmebedürfnis haben. Deswegen sollten Heizkörper überall dorthin wirken, wo sich der Bewohner gerade im Bad aufhält. Gelöst werden kann dies via Strom- oder Infrarotheizung in Decken, Wänden und Spiegeln.
Umbau für mehr Energieeffizienz nutzen
Man könnte meinen, dass eine solche Ausstattung mehr elektrische Energie benötigen wird. Wischmann widerspricht dem. Mehr Strom brauche diese neue Technik nicht, wenn man den Umbau auch dazu nutzt, das Bad auf mehr Energieeffizienz zu trimmen, etwa bei Erzeugung und Verteilung von Warmwasser oder der Verwendung von wassersparenden Armaturen. „Von besonderem Interesse sind hier effiziente Belüftungssysteme, insbesondere von innenliegenden oder schwer zu belüftenden Badezimmern“, so Thiel. Weiterhin gehe ein Trend in Richtung der Koppelung von Heizung und Lüftung. Wird das Fenster geöffnet, wird automatisch die Temperatur gedrosselt. Auch intelligente Temperaturszenarien, die sich den individuellen Vorlieben und den Anforderungen der Jahreszeiten anpassen, wie das kurzzeitige Vorheizen der Bäder in der Übergangszeit, gehören dazu.
Der VDS gibt viele Tipps, wie mit wenigen Mitteln höchstmögliche Barrierefreiheit zu erreichen ist. Dazu zählen auch Hinweise zu Sanierungs- und Umbaumaßnahmen und deren Förderung:
www.aktion-barrierefreies-bad.de
Der ZVSHK hält einen Onlinekatalog unter www.shk-barrierefrei.de für das barrierefreie Bad bereit. Dieser ermöglicht die Recherche barrierefreier Badprodukte von Herstellern für verschiedene körperliche Einschränkungen.