Änderung der Gefahrstoffverordnung: Mehr Arbeitsschutz beim Bauen im Bestand

Die Zahl der asbestbedingten Berufskrankheiten und Todesfälle ist trotz des Verbots von Asbest im Jahr 1993 und dem Auslaufen aller Sonderregelungen im Jahr 1996 weiterhin hoch. Lungenkrebs in Verbindung mit einer Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) stand mit 1.286 Meldungen im Jahr 2023 bei der Berufsgenossenschaft Bau auf Platz fünf der am häufigsten gemeldeten Berufskrankheiten. „Die Änderungen in der Gefahrstoffverordnung haben einen wirksameren Schutz vor Gefahrstoffen im Fokus. Sie zielen darauf ab, Beschäftigte besser vor den Gefahren zu schützen, die auch heute noch von Asbest ausgehen. Dabei kommt ein Risikokonzept zur Anwendung. Das Prinzip: die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen hängen von dem Risiko ab, dem die Beschäftigten ausgesetzt sind“, erläutert Dr. Ludwig Brands, Experte für Arbeitssicherheit bei TÜV Rheinland.

Risiken beurteilen

Gebäude gelten erst als gesichert asbestfrei, wenn ihr Baubeginn nach dem 31.10.1993 war. Der Auftraggeber ist verpflichtet, relevante Informationen zum Gebäude bereitzustellen, während der Auftragnehmer die Asbestbelastung beurteilen muss; hierbei unterstützt TÜV Rheinland.
Bild: Clipdealer

Gebäude gelten erst als gesichert asbestfrei, wenn ihr Baubeginn nach dem 31.10.1993 war. Der Auftraggeber ist verpflichtet, relevante Informationen zum Gebäude bereitzustellen, während der Auftragnehmer die Asbestbelastung beurteilen muss; hierbei unterstützt TÜV Rheinland.
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Ein Beispiel für die Anwendung des Risikoakzeptanzkonzeptes, das ursprünglich ausschließlich in der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 910 beschrieben wurde, sind die Regelungen zum Asbest in der aktuellen Novelle der Gefahrstoffverordnung. Sie hat das Risikoakzeptanzkonzept nun in den Verordnungsrang gehoben, wodurch es verbindlich anzuwenden ist. Bei der Beurteilung des Risikos durch Gefahrstoffe wie Asbest, für die es keine Arbeitsplatzgrenzwerte gibt, werden zwei Schwellenwerte, die Akzeptanz- und Toleranzkonzentration, genutzt. Die Akzeptanzkonzentration eines als krebserzeugend eingestuften Stoffes in der Arbeitsplatzluft ist der Wert, bei dem bei 40-jähriger Exposition über acht Stunden das Risiko einer Krebserkrankung mit 4:100.000 bzw. übergangsweise mit 4:10.000 eingestuft wird. Das bedeutet, vier von hunderttausend Menschen erkranken statistisch an Krebs. Entsprechend bezeichnet die Toleranzkonzentration ein Risiko von 4:1.000. Man spricht bei einer Exposition (über acht Stunden) unterhalb der Akzeptanzkonzentration von einem niedrigen, bei einer Exposition zwischen der Akzeptanz- und Toleranzkonzentration von einem mittleren und bei einer Exposition oberhalb der Toleranzkonzentration von einem hohen Risiko.

Asbest: Verboten und trotzdem weit verbreitet

Werden Baumaßnahmen im Bestand vorgenommen, muss das beauftragte Unternehmen eine Risikoeinstufung vornehmen. Dabei kann erst in Gebäuden, die nach dem 31.10.1993 gebaut wurden, sicher davon ausgegangen werden, dass kein Asbest verbaut wurde. Wurde ein Haus früher errichtet, könnten beispielsweise Dach- und Fassadenplatten, Brandschutzisolierungen, Bodenbeläge und Kleber sowie Putze, Spachtelmassen, Fliesenkleber und bauchemische Produkte Asbest enthalten. Bei Umbau- und Sanierungsmaßnahmen kann der Gefahrstoff daher freigesetzt werden. Daher müssen sowohl Heimwerker als auch Arbeitnehmer bei Baumaßnahmen im Bestand vor asbesthaltigen Materialien geschützt werden.

Auftraggeber muss Informationen bereitstellen

Um Betriebe bei der Erstellung des Risikokonzepts zu unterstützen, muss der Auftraggeber den beteiligten Unternehmen Informationen zum Bau und zur Nutzung des Gebäudes geben sowie das Baujahr bzw. bei Gebäuden aus den Jahren 1993 bis 1996 das Datum des Baubeginns mitteilen. Auf dieser Basis müssen die Unternehmen im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung feststellen, ob eine Asbestbelastung vorliegt und gegebenenfalls Proben zur Bestimmung der Asbestgefährdung nehmen.

Abhängig vom ermittelten Risiko sind dann adäquate Maßnahmen zu ergreifen. Liegt die Exposition unterhalb von 1.000 Fasern je Kubikmeter, reichen staubmindernde Maßnahmen aus. Liegt die Exposition höher, sind Schutzmaßnahmen wie die staubdichte Abtrennung des Arbeitsbereichs, die Einrichtung von Lüftungseinrichtungen mit Unterdruck, Personenschleusen mit Duschen und Materialschleusen zu treffen. „Für die Einstufung des jeweiligen Risikos und das konkret erforderliche Vorgehen ist eine fachkundige Beratung Voraussetzung, die unsere TÜV-Rheinland-Arbeitssicherheitsexpertinnen und -experten Unternehmen bereitstellen können“, so Brands.

Unternehmen und Beschäftigte, die sich für die Änderung der Gefahrstoffverordnung, die damit einhergehenden notwendigen Maßnahmen zum Arbeitsschutz oder allgemein für Arbeitssicherheit interessieren, können sich unter folgendem Link über das Angebot von TÜV Rheinland informieren: www.tuv.com/arbeitssicherheit


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