Gefahrstoffverordnung 2024

Wichtige Änderungen für den Umgang mit gefährlichen Materialien

Die Novellierung der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) ist abgeschlossen. Die Bundesregierung hat am 05.12.2024 die Änderungen verabschiedet. Es treten wichtige Änderungen in Kraft, die nicht nur den Schutz der Arbeitnehmer verbessern sollen, sondern auch den Umgang mit gefährlichen Stoffen im Hinblick auf die Umweltverantwortung und die Nachhaltigkeit schärfen.

Was sind Gefahrstoffe?

Gefahrstoffe sind chemische Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse, die aufgrund ihrer physikalischen oder chemischen Eigenschaften besondere Gefahren für die Gesundheit des Menschen oder die Umwelt darstellen. Dies können Stoffe sein, die entzündbar, akut toxisch, ätzend oder krebserzeugend sind. Ihre schädliche Wirkung kann sowohl bei akutem Kontakt als auch langfristig auftreten, wie es bei vielen krebserregenden und erbgutverändernden Stoffen der Fall ist. Asbesthaltige Flanschdichtungen an Rohren und Armaturen.
Bild: Florian L. Tiemann

Asbesthaltige Flanschdichtungen an Rohren und Armaturen.
Bild: Florian L. Tiemann

Im Baubestand können dies z. B. künstliche Mineral-
fasern (KMF) in Form von Glas-, Stein- oder keramische Mineralwollen sein. Asbest als Gipsummantelungen, Isolierungen, Putz-/ Spachtelmassen, Fliesenkleber, passive Brandschutzmaßnahmen, etc., aber auch polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), in Form von Abdichtungen, Teerkorkisolierungen oder Klebern. Holzschutzmittel, Fungizide, aber auch als Weichmacher in Form von Polychlorierte Biphenyle (PCB), welche in Farben, Beschichtungen, Fugenmassen und Ölen/ Hydraulik-
ölen vorkommen.

Schädigende Wirkung für Mensch und Umwelt

Gefahrstoffe, wie die zuvor beschriebenen, haben häufig schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen. Diese Effekte können sowohl akut, etwa durch direkten Kontakt oder Inhalation, als auch chronisch durch wiederholte Exposition auftreten. Zu den möglichen Gesundheitsrisiken gehören:

Akute Toxizität: Substanzen, die beim Einatmen, Verschlucken oder Hautkontakt sofort schädlich oder gar tödlich sein können.

Krebserzeugende Wirkung: Viele Gefahrstoffe sind krebserzeugend oder erbgutverändernd, was zu langfristigen gesundheitlichen Schäden führt.

Ätzende und reizende Wirkungen: Diese Stoffe können Haut und Augen schädigen, Schleimhäute angreifen oder Atemwege beeinträchtigen.

Gefahr für die Umwelt: Einige chemische Stoffe sind nicht nur für den Menschen gefährlich, sondern auch für die Umwelt. Sie können Gewässer, Boden und Luft verschmutzen und langfristige Schäden verursachen.

Die neu gestaltete Gefahrstoffverordnung berücksichtigt diese Gefahren nun verstärkt und fordert von Unternehmen, nicht nur präventive Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, sondern auch aktiv den Umweltschutz zu berücksichtigen. So wurde unter anderem ein dreistufiges risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen integriert, bei dem die stoffspezifischen Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen nach TRGS 910 Berücksichtigung finden. Hier stehen Arbeitgeber in der Pflicht eine Ermittlung der Beschäftigten-Exposition sowie die Bestimmung des Risikobereiches durchzuführen. Ein entsprechender Maßnahmenplan ist zu erstellen, sobald die Tätigkeiten im Bereich des mittleren Risikos durchgeführt werden oder eine Überschreitung des Arbeitsplatzgrenzwertes (AGW) zu erwarten ist. Ziel muss es sein den AGW einzuhalten und die Tätigkeiten im Bereich des niedrigen Risikos ausführen zu lassen. Mit dem Maßnahmenplan sollen die vorgesehenen Maßnahmen, die angestrebte Expositionsmin-
derung und der geplante Zeitrahmen beschrieben werden. Asbesthaltige Flanschdichtung an Lüftungskanälen.
Bild: Florian L. Tiemann

Asbesthaltige Flanschdichtung an Lüftungskanälen.
Bild: Florian L. Tiemann

Für Unternehmen bedeutet dies:

Erhöhte Anforderungen an die Gefährdungsbeurtelung: Bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden Stoffen müssen Unternehmen detaillierte Bewertungen der Arbeitsprozesse
vornehmen und feststellen, wie hoch die Exposition der Mitarbeiter ist.

Risikobezogenes Maßnahmenkonzept:
Für besonders gefährliche Tätigkeiten ist ein risikobezogenes Konzept zu erstellen. Dieses Konzept umfasst technische Maßnahmen (wie z. B. Abschottungen, Schleusentechnik, Wassermanagement und Luftfiltrierung), organisatorische Maßnahmen (z. B. reduzierte Arbeitszeiten, Reduzierung der Mannschaftsstärke, räumliche Trennung) und den Einsatz von persönlichen Schutzmaßnahmen (PSA).

Überwachung der Exposition:
Die regelmäßige Überwachung Exposition von Gefahrstoffen, welche die Mitarbeiter ausgesetzt sind, sowie die Durch-
führung von medizinischen Vorsorgeuntersuchungen sind unerlässlich, um frühzeitig gesundheitliche Schäden zu
erkennen und vorzubeugen.

Generalverdacht in Bestandsbauten vor Oktober 1993

Ein weiteres zentrales Thema der neuen Gefahrstoffverordnung betrifft Asbest. Asbest wurde bis Anfang der 1990er Jahre in zahlreichen Bauprojekten eingesetzt. Da Asbest in mehr als 3.000 Bauprodukten nachgewiesen wurde, besteht eine ständige Gefahr beim Bearbeiten. Aus diesem Grunde wurde in der neuen Verordnung ein Generalverdacht für alle Gebäude, die vor Oktober 1993 gebaut wurden, verankert. Aber auch in Gebäuden mit Baujahr zwischen 1993 und 1996 sind Asbestanwendungen nicht auszuschließen.

Für diese Gebäude gilt:

Asbestverdacht: Bei Sanierungen, Abrissen oder Umbauten muss stets der Verdacht bestehen, dass asbesthaltige Materialien verwendet wurden.

Gefährdungsbeurteilung und Sanierung: Vor jeglichen Arbeiten muss eine gründliche Schadstoff- bzw. Asbestprüfung durchgeführt werden. Im Falle von Positivbefunden ist ein spezielles Risikomanagement notwendig, um die Arbeiter zu schützen und die Freisetzung von Schadstoffen wie Asbestfasern zu verhindern.

Besondere Schutzvorkehrungen: Arbeiten an Schadstoffen und Asbestmaterialien erfordern den Einsatz spezialisierter PSA, wie Schutzanzüge und Atemschutzmasken sowie spezielle Entsorgungsverfahren. 

Arbeitsschutzregelungen für gefährliche Stoffe

Nach den bereits geltenden gesetzlichen Vorgaben, wie dem
Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) §4 (1), sind Arbeitgeber verpflichtet, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter vor Gefahrstoffen zu ergreifen. Die neue Gefahrstoffverordnung beschreibt nun konkrete Qualifikationsanforderungen. Dies bedeutet unter anderem:

Es besteht die Pflicht, regelmäßig die Risiken von Gefahrstoffen am Arbeitsplatz mittels Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln und entsprechende Schutzmaßnahmen zu treffen. Dies ist durch eine „verantwortliche Person“, als sachkundige Person vorzunehmen.

Es bedarf technischer Schutzvorrichtungen (z. B. Belüftungssysteme), organisatorischer Maßnahmen (z. B. Reduzierung der Expositionszeit) sowie die Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA). Dies ist durch  eine „aufsichtführende Person“ zu kontrollieren und zu beaufsichtigen. Diese muss sachkundig und weisungsbefugt sein.

Die Beschäftigten sind regelmäßig über die Gefahren und den sicheren Umgang mit Gefahrstoffen zu unterweisen. Die Tätigkeiten dürfen nur von Beschäftigten durchgeführt werden, die über entsprechende Fachkunde verfügen. Zutritt verboten: Bei Asbestsanierung gibt es besondere Gesundheitsrisiken.
Bild: deconta

Zutritt verboten: Bei Asbestsanierung gibt es besondere Gesundheitsrisiken.
Bild: deconta

Zusätzlich fordern die DGUV-Vorschriften den Arbeitgeber auf, konkrete Schutzmaßnahmen zu definieren, die im Falle von Tätigkeiten mit besonders gefährlichen Stoffen, wie krebserzeugenden Substanzen, Anwendung finden.

Fazit

Die neue Gefahrstoffverordnung setzt einen klaren Fokus auf den Schutz von Gesundheit und Umwelt beim Umgang mit gefährlichen Stoffen, insbesondere Asbest. Unternehmen müssen sich intensiv mit den neuen Anforderungen auseinandersetzen, ihre technischen Sicherheitsvorkehrungen aktualisieren und sicherstellen, dass die Beschäftigten gut informiert und geschützt sind. Dies gilt besonders für Tätigkeiten mit krebserregenden Stoffen wie Asbest. Nur durch konsequente Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften und den Einsatz geeigneter technischer Schutzmaßnahmen können Unternehmen langfristig die Gesundheit ihrer Mitarbeiter und den Schutz der Umwelt gewährleisten.

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