Wärmerückgewinnung
In Lüftungssystemen mehr als nur effizient
Raumlufttechnik (RLT) rückt mit der Corona-Krise verstärkt in den Blickpunkt. Denn die Anlagen könnten einen wertvollen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten. Doch auch ohne COVID-19 sollte die Wärmerückgewinnung (WRG) in solchen Anlagen zum Standard gehören.
Abwärmenutzung sollte eigentlich die Ultima Ratio bei Planung und Bau von Gebäuden sein. Im Industrie- und Gewerbebereich ist sie weit verbreitet, garantiert eine Investition in sie doch schnelle Einspareffekte – in Zeiten steigender Energiepreise, auch durch den seit diesem Jahr neuen Emissionshandel für fossile Brennstoffe, ein Muss. Im Wohnungsbau finden sich solche Anlagen jedoch kaum. Das Potential ist groß: Nach einer Studie der Universität Stuttgart sind zwar 24 % aller Wohngebäude in Europa mit Lüftungsanlagen ausgestattet, doch nur 1,5 % davon nutzen auch die Abwärme. Dabei wäre das gerade hier technisch einfach.
Hürden in der Wohnungswirtschaft
Aber: Weder Investor noch Betreiber oder Verwalter von Wohnimmobilien haben ein finanzielles Interesse daran, da die Heizkosten eh vom Mieter zu tragen sind. Eingesparte Heizkosten würden also nicht für eine Reinvestition zur Verfügung stehen. Lediglich bei Standards wie dem Passivhaus ist die Wärmerückgewinnung dringend nötig. Sonst würde kein Passivhaus jemals warm werden.
Doch eine Abwärmenutzung lässt sich nicht überall einfach einbauen. Denn diese würde auch in den Sommermonaten funktionieren und Gebäude entweder über Maßen aufheizen oder die gewonnene Abwärme an die Umgebung abgeben, etwa als kontrollierte Wohnraumlüftung.
In Wohngebäuden ließe sich damit aber auch das Trinkwasser erwärmen. Doch die Auslegung solcher Anlagen ist alles andere als leicht, da das Abwärmeniveau von 20 bis 30 °C auf warmes Trinkwasserniveau von 60 °C angehoben werden müsste, um legionellensicher zu sein. Dafür gibt es bereits einige Technologien, die effizient arbeiten, auch wenn sie eine höhere Investition und einen größeren Aufwand bei Planung und Installation voraussetzen.
Mit einer WRG lassen sich auch die Anforderungen des seit Ende 2020 geltenden Gebäudeenergiegesetzes (GEG) umsetzen, das sich stark an die alte Energieeinsparverordnung (EnEV) anlehnt. Derzeit wächst in der Wohnungswirtshaft die Nachfrage nach solchen Anlagen. Der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) zählte 2019 bezogen auf das Vorjahr mit 49.000 neu installierten zentralen Lüftungsanlagen zwar vier Prozent weniger als im Jahr zuvor. Bei den in Wohngebäuden angewendeten dezentralen Lüftungsanlagen hingegen waren es mit 215.000 neun Prozent mehr – ein deutlicher Zuwachs.
Diese Lüftungsanlagen nutzen meist Kreuz-Gegenstrom-Wärmeübertrager. Wärmepumpen können in Kombination die Effizienz steigern und gleichzeitig die Trinkwarmwassertemperatur auf das notwendige Niveau anheben. Voraussetzung ist aber eine starke Dämmung der Gebäudehülle, mindestens im KfW-55-Standard. Mit dem neuen GEG ist der für öffentlicher Bauten vorgeschrieben. Für private gilt jedoch nach wie vor der etwas weniger anspruchsvolle KfW-70-Standard. Ein Vorteil von WRG: Sie können im Sommer auch kühlen. Das ist in Zeiten des Klimawandels im Wohnungsbau immer noch die große Ausnahme. Wärmetauscher allein hingegen können das nicht. Für sie müssten extra Kühlregister installiert und aufgeschaltet werden.
WRG-Arten
Ein großer Vorteil liegt auch in der Erfüllung einer rechtlichen Norm. Solche Arten der Wärmerückgewinnung werden im neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG) auf die Effizienz angerechnet, die ein Neubau erreichen muss. Das regelte übrigens auch die alte EnEV so, die im GEG aufging. Deswegen sind solche Anlagen heute Standard in Gewerbebauten, jedoch kaum im Wohnungsbau. Im Passivhausstandard sind WRG-Anlagen meist die einzige Wärmequelle. In anderen Baustandards bedarf es noch einer Zusatzheizung. Und nur für solche Anlagen mit WRG gibt es auch eine staatliche Förderung.
1. Wärmeübertrager
Wärmeübertrager (veraltet auch Wärmetauscher) kommen in Lüftungsanlagen zum Einsatz, übernehmen die Wärme der Abluft und führen sie der frischen Zuluft zu. Genutzt werden dafür meist Platten- oder Kreuzgegenstrom-Wärmeübertrager. In Plattenwärmetauschern strömen Zu- und Abluft durch dünne und parallel angeordnete Platten aus Aluminium, Edelstahl oder Kunststofffolie. Eine Platte ist für Zu- und eine Platte für Abluft vorgesehen.
Bei Kreuzgegenstrom-Wärmeübertragern werden die Luftströme in entgegengesetzter Richtung geführt. Sie kreuzen sich im Gerät und sind etwas effizienter als die Plattenwärmeübertrager, da die Luftströme länger miteinander im Kontakt bleiben und so mehr Wärme übertragen werden kann.
Eine weitere, jedoch noch sehr junge Lösung, sind Enthalpie-Wärmeübertrager. Sie ähneln den beiden anderen Lösungen, arbeiten jedoch nach dem Osmose-Prinzip. Zu- und Abluft werden durch eine salzbeschichtete Membran getrennt. Diese kann die Wärmeenergie des Wassers von der einen Seite auf die andere übertragen. Auf der warmen Seite kondensiert das Wasser. Dann geht es zur kühleren, mit Salz beschichteten Seite über. Diese wiederum nimmt den Wasserdampf auf und gibt die Wärme ab. Gesteuert werden kann dies durch unterschiedliche Konzentrationen der Feuchtigkeit. Zudem filtert die Membran Mikroorganismen aus – in Zeiten von Corona ein wichtiges Argument. Hersteller versprechen hier eine 80-prozentige Nutzung der Abwärme und 60-prozentige Nutzung der Feuchtigkeit. Deswegen sind sie auch nur für große Anwendungen geeignet, da in kleineren Gebäuden die Feuchtigkeitsnutzung schnell zur Schimmelbildung führen könnte.
2. Wärmepumpe
Auch Wärmepumpen können zur Abwärme genutzt werden. Wie beim Einsatz als Heizgerät gilt hier, dass die Wärmpumpe auch dann genutzt werden kann, wenn das Abwärmeniveau niedrig ist und auf ein deutlich höheres Niveau angehoben werden muss, etwa zur Trinkwassernutzung auf mindestens 60 °C. Dabei arbeiten Wärmepumpen effizient, weil sie auf ein stabiles Temperaturniveau der Abluft zurückgreifen können. Bei Luft-/Wasser-Wärmepumpen zu Heizzwecken ist dies nicht der Fall. Sie müssen sich den jahreszeitlichen Temperaturschwankungen anpassen.
Für den Einsatz sind drei Varianten denkbar. Bei der ersten wird in den Räumen mit der wärmsten Abluft, also Küche oder Bad, eine Wärmepumpe installiert und die Abwärme entzogen. Durch den ständig im Gebäude stehenden Unterdruck wird Zuluft über Außenventile angesaugt und aufgewärmt sowie in alle Räume weitergeleitet. In der zweiten Variante werden Abluft und Zuluft über die Wärmepumpe zentral erfasst beziehungsweise verteilt. Bei der dritten Lösung kommt ein Kreuzgegenstrom-Wärmetauscher zum Einsatz, der die Abwärme aufnimmt. Nur die Restwärme wird von der Wärmepumpe eingefangen.
3. VRF
Eine noch junge Lösung zur Wärmerückgewinnung ist die VRF-Technologie (Variable Refrigerant Flow, variabler Kältemittelstrom). Der Direktverdampfer einer Luft-/Luft-Wärmepumpe arbeitet ohne Wasser aufzuwärmen oder abzukühlen. Die Wärme wird direkt auf die Zuluft übertragen und von der Abwärme entnommen. Diese Technologie eignet sich auch zum Entfeuchten von Räumen, ist aber ebenso wie die Enthalpie-Wärmeübertrager nur für große Gebäude geeignet.
Installation mit Fallstricken
Ist noch keine Lüftungsanlage vorhanden, sollte diese so geplant werden, dass die Rohrleitungssysteme so kurz wie möglich ausfallen. Nur so kann eine hohe Energieeffizienz erreicht werden. Außerdem spart dies Installationsmaterial. Das anfallende Kondensat muss mit einer geeigneten Leitung abgeführt werden können. Bei größeren Anlagen sollte auf eine Schallentkopplung geachtet werden, da ihr Betrieb Geräusche verursacht, die auf den restlichen Baukörper übertragen werden könnten. Die Wärmeübertrager der WRG sollten für Reinigung und Wartung problemlos erreichbar und leicht zugänglich sein. Die Schächte für Zu- und Abluft müssen an der Gebäudehülle räumlich deutlich voneinander getrennt sein. Sonst könnte es zu einem sogenannten thermischen Kurzschluss kommen – die verbrauchte und abgekühlte Fortluft würde wieder eingesaugt werden.
Eichstätt: Quartier heizt mit Abwärme
Wie eine Wärmerückgewinnung ein ganzes Quartier wärmen kann, wurde erfolgreich im bayerischen Eichstätt erprobt. Auf einem innenstadtnahen Areal wurden 86 Wohneinheiten im KfW-70- und teilweise KfW-55-Standard errichtet. Verbaut wurden insgesamt 263 dezentrale Thermolüfter (Firma: LTM), die alle über eine WRG verfügen. Der Wärmebereitstellungsgrad liegt bei 89 %, somit werden fast 90 % der für Heizung und Warmwasser benötigten Energie durch die WRG zur Verfügung gestellt.
Für die Abwärmerückgewinnung gilt neben den Normen für den Lüftungsbau die DIN 1946, Teil 6.
Weitere, zu beachtende Normen sind:
– DIN EN 308: Wärmeaustauscher - Prüfverfahren zur Bestimmung der Leistungskriterien von Luft/Luft- und Luft/
Abgas-Wärmerückgewinnungsanlagen
– DIN 4701-10: Energetische Bewertung heiz- und raumlufttechnischer Anlagen - Teil 10: Heizung,
Trinkwassererwärmung, Lüftung
– DIN 4701-12: Energetische Bewertung heiz- und raumlufttechnischer Anlagen im Bestand - Teil 12:
Wärmeerzeuger und Trinkwassererwärmung Wohnungen müssen zudem so geplant werden, dass auch bei
Abwesenheit des Nutzers und geschlossenen Fenstern keine kritische Raumluftfeuchte mit dem
Risiko der Schimmelbildung auftreten kann.
Mit Beginn des Jahres 2021 wurden die Förderungen für energieeffizientes Bauen durch KfW und BAFA im Bundesprogramm Energieeffiziente Gebäude (BEG) zusammengefasst. Kredite werden nun grundsätzlich durch die KfW vergeben, Förderungen vom BAFA.
KfW: Programm Energieeffizient Bauen (153)
Hier sind, auch wenn die Abwärmenutzung nicht ausdrücklich erwähnt ist, Förderkredite ab 0,75 % Sollzins je Jahr und bis zu 120.000 EUR je Wohnung möglich. Der Tilgungszuschuss kann bis 30.000 EUR bettragen. Eine Begleitung durch Experten für Energieeffizienz kann mit bis 4.000 EUR extra gefördert werden.
Mehr unter: www.kfw.de
BAFA: Sanierung Wohngebäude - Anlagentechnik (außer Heizung)
Gefördert wird bei Sanierungen der Einbau, Austausch oder Optimierung raumlufttechnischer Anlagen inklusive Wärme- oder Kälterückgewinnung. Das förderfähige Mindestinvestitionsvolumen liegt bei 2.000 EUR (brutto). Der Fördersatz beträgt 20 % der förderfähigen Ausgaben. Die förderfähigen Ausgaben sind gedeckelt auf 60.000 EUR pro Wohneinheit.
Mehr unter: www.bafa.de