Vom Tabu-Wort zum Verkaufsargument
Interview zur barrierefreien Badplanung
Bernd Steltner ist Referent bei der HEWI Heinrich Wilke GmbH (www.hewi.com) und kann auf viele Jahre Berufserfahrung im Bereich barrierefreier Badplanung zurückblicken. Als die SHK Profi-Redaktion sein Fachseminar „Bäder für Generationen“ besuchte, stand er auch für ein Interview zum Thema Barrierefreiheit bereit.
SHK Profi: Mal ganz naiv gefragt: Generationen von Menschen sind bis heute ohne Barrierefreiheit ausgekommen. Warum rückt dieser Aspekt gerade in den letzten Jahren in den Fokus?
Steltner: Früher haben die Familien viel aufgefangen, das ist heute leider nicht mehr so. Früher lebten mehrere Generationen in einem Haushalt. Heute findet eine Vereinzelung statt, so dass es ältere Einzelpersonen oder ältere allein lebende Paare gibt. Früher besaß man zudem auch noch nicht das Bewusstsein, dass etwas barrierefrei sein kann. Da hat man eher die Hürden des Lebens genommen, wie sie kamen. Und doch: Die Vorgänger der DIN 18040 waren Mitte der Siebziger Jahre die DIN 18024 und DIN 18025. Menschen, die sich damals für das Thema eingesetzt haben, wurden meist nicht für voll genommen. Jetzt durch den demografischen Wandel bricht das Thema erst richtig auf.
SHK Profi: Das Thema „Barrierefreiheit“ ist für manchen Kunden negativ besetzt, dass kann im Kundengespräch Probleme bereiten. Wie führt man das Thema aus Ihrer Sicht am besten ein?
Steltner: Es geht ein Stück weit, um die Wortwahl. Barrierefreiheit war früher ein „Tabu-Wort“. Heute, wenn sie die
Zeitungen aufschlagen, taucht der Begriff „barrierefrei“ überall auf. Das Problem ist, dass er häufig mit rollstuhlgerecht in Verbindung gebracht wird. Das ist es ja nicht. Barrierefreiheit war früher häufig gleichbedeutend mit Alter, Krankheit und „will ich nicht“. Das hat sich gebessert. Es geht im Kundengespräch darum, dass man über Komfort, Flexibilität und Zukunftssicherheit spricht: „In dem Bad kannst Du, lieber Kunde, auf alle Möglichkeiten reagieren, die das Leben mit sich bringt.“ Das Thema sollte auf eine leichte Art und Weise eingeführt werden. Aber mit dem Know-how wie man es fachlich gut umsetzt.
SHK Profi: Was raten Sie Handwerkern, wenn es um die barrierefreie Umrüstung eines Bades geht?
Steltner: Handwerker müssen den individuellen Bedarf sehr intensiv erfragen. Und das tun sie meistens nicht ausreichend. Wenn die Menschen in der Reha sind, müsste sich der Fachhandwerker normalerweise vor Ort informieren. Er sollte den Arzt und den Physiotherapeuten fragen oder aber die Pflegefachkraft, die später den Menschen unterstützen soll. Natürlich ist auch das Gespräch mit dem Betroffenen wichtig. Der Handwerker sollte fragen und sich auch von der Person zeigen lassen, wie sie das Bad nutzt.
Der Handwerker muss individuell auf die Bedürfnisse eingehen – und das tut er in der Regel auch –, aber er muss den Mut haben zu fragen, wie der Betroffene auf die Toilette geht: von welcher Seite und mit welchen Abläufen, um die beste Lösung für ihre Kunden zu finden.
SHK Profi: … der Installateur hat somit eine sehr verantwortungsvolle Rolle, wenn jemand durch Krankheit oder Unfall auf Barrierefreiheit angewiesen ist?
Steltner: Genau. Zwischen Reha und dem Leben zuhause, da steht der Installateur. Der Installateur übernimmt eine hohe Verantwortung für die Funktionalität eines Bades. Er ermöglicht mit seiner Planung eine eigenständige Nutzbarkeit ohne fremde Hilfe. Hierfür brauchen wir geschulte Installateure.
Die Landesverbände und der Zentralverband haben auch erkannt, dass das Thema „Barrierefreiheit“ als Basiskompetenz beim SHK-Handwerk einfach dazugehört. Im Grunde ist das Thema ja nicht schwer: Bei Badplanungen geht es in erster Linie um Komfort, der die Möglichkeit zur Pflege bietet. Das umfasst die nachträgliche Anpassbarkeit des Bades an sich verändernde Lebensumstände: Mit guter Zugänglichkeit, ausreichenden Bewegungsräumen und Vorbereitung der Wände für die spätere fachgerechte Installation von Griff- und Haltesystemen.
SHK Profi: Aktuell leiten Sie die HEWI-Seminarreihe Bäder für Generationen. Dabei ist die DIN 18040 ein zentrales Thema. Was liegt Ihnen besonders am Herzen im Kontakt mit Ihren Seminarteilnehmern?
Steltner: Mein Kernpunkt ist der: Das Thema Barrierefreiheit muss mit einer gewissen Leichtigkeit verkauft werden. Die Ernsthaftigkeit steckt im Know-how. Das sind die zwei Ebenen.
Die Fachhandwerker übernehmen eine große Verantwortung. Sie ermöglichen Ihren Kunden ein eigenständiges Leben und sie ermöglichen die Pflege zuhause. Ich wünsche mir, dass die Installateure dieses Thema wirklich als Chance erkennen. Es ist fester Bestandteil ihrer Kernkompetenz. Barrierefreies Bauen muss eine selbstverständliche Kompetenz bei der Badplanung sein.
SHK Profi:Vielen Dank für das
Gespräch.