Transporter mit Brennstoffzellenantrieb
Hydrogen geht in Serie
In diesem Jahr kommen die ersten serienmäßigen Transporter mit Brennstoffzellenantrieb auf den Markt. Sie sollen vor allem mit kurzen Tankstopps und höheren Reichweiten das Angebot von batterieelektrischen Fahrzeugen ergänzen.
Gerade hat man sich mit dem Gedanken angefreundet, in Zukunft mit einem batterieelektrischen Transporter unterwegs zu sein, schon kommt eine neue Technologie auf den Markt: Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb. Diese Elektrofahrzeuge speichern ihre Energie nicht in Akkus, sondern in Form von Wasserstoff. In der Brennstoffzelle wird aus diesem Wasserstoff und Luft mittels eines Katalysators Strom zum Antrieb des Elektromotors erzeugt. Als einziges Produkt dieser Reaktion kommt reiner Wasserdampf aus dem Auspuff.
„Wasserstoff ist eine zukunftsweisende Lösung für ein effizientes Energiesystem frei von fossilen Kraftstoffen“, erklärt Opel-Chef Michael Lohscheller. Am Opel-Standort in Rüsselsheim befindet sich das globale „Kompetenzzentrum Wasserstoff & Brennstoffzellen“ von Stellantis. Bei der Unternehmensgruppe, zu der unter anderem Opel, Fiat, Citroën und Peugeot gehören, ist man überzeugt, dass der Brennstoffzellen-Antrieb im Transporter Zukunft hat. „Dieses Antriebssystem verbindet alle Vorzüge von Null-Emissionen, hoher Reichweite und kurzem Tankstopp“, so Lohscheller.
Keine Nachteile bei Ladevolumen und Nutzlast
Entsprechend bringt Stellantis in diesem Jahr den „Opel Vivaro-e Hydrogen“ beziehungsweise die Schwestermodelle „Citroën ë-Jumpy Hydrogen“ und „Peugeot e-Expert Hydrogen“ auf den Markt. Die Fahrzeuge verfügen über einen Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb mit Plug-in-Batterie. Mit einer Tankfüllung Wasserstoff sollen sie mehr als 400 km weit fahren (gemäß WLTP). Das Auftanken dauert gerade einmal drei Minuten – in etwa so kurz wie ein Tankstopp mit konventionellem Diesel oder Benziner. Wasserstofftank, Brennstoffzelle und Batterie sind dabei so platzsparend untergebracht, dass der Transporter gegenüber herkömmlichen Antriebstechnologien keine Kompromisse beim Raumangebot macht. Mit bis zu 6,1 m3 ist der Laderaum ebenso groß wie bei den Diesel- oder batterieelektrischen Varianten. Auch die Nutzlast ist vergleichbar. Nur die Anhängerlast ist bei den elektrischen Varianten mit 1.000 kg deutlich niedriger als beim Diesel (1.885 kg gebremst bei 12 % Steigung). Die ersten Fahrzeuge will Stallantis bereits ab Herbst 2021 ausliefern, allerdings zunächst nur an Flottenkunden. Ist die Brennstoffzellen-Technologie also die bessere Art der Elektromobilität? Das wohl nicht. Stellantis sieht sie als Ergänzung zu batterieelektrischen Transportern, vor allem für Einsätze, die höhere Reichweiten erfordern und bei denen die Betriebsabläufe keine langen Lade-Stopps erlauben.
Emissionsarm nur mit „grünem“ Wasserstoff
Zudem muss die Technologie auch im Hinblick auf das ursprüngliche Ziel der Elektromobilität betrachtet werden: der Reduzierung der CO2-Emissionen in Deutschland und Europa. Dabei gilt bei der Brennstoffzellen-Technologie – ähnlich wie beim batterieelektrischen Antrieb -, dass Treibhausgase nur eingespart werden, wenn die verbrauchte Energie regenerativ gewonnen wurde. Bei Brennstoffzellenfahrzeugen bedeutet das, dass sie nur Vorteile bei der CO2-Reduzierung bieten, wenn sie mit „grünem“ Wasserstoff betrieben werden. „Grüner“ Wasserstoff wird durch Elektrolyse von Wasser unter Einsatz von Strom aus erneuerbaren Quellen wie Fotovoltaik oder Windenergie gewonnen. Ohne den Einsatz regenerativer Energien würden bei der Wasserstoffherstellung pro Tonne Wasserstoff bis zu 23,3 t CO2 erzeugt – den aktuellen Strommix zugrunde gelegt. Zudem sind die Strukturen für „grünen“ Wasserstoff in Deutschland noch gar nicht aufgebaut, heute wird Wasserstoff zu 95 % aus Erdgas (Methan) hergestellt – mit einem entsprechend hohen CO2-Fußabdruck.
Besser als Batterie?
Weiteres Problem des Brennstoffzellenantriebs ist der Wirkungsgrad: „Nur ein Viertel der Ausgangsenergie fließt am Ende in den Antrieb, drei Viertel gehen von der Energiequelle bis zur Straße verloren – beim E-Lkw ist das Verhältnis umgekehrt“, so Matthias Gründler, CEO von Traton, dem Lkw-Ableger von VW. Das Unternehmen fokussiert sich bei seinen Lkw daher auf batterieelektrische Fahrzeuge. Etwas anders sieht es allerdings eine Studie von IAV, einem Engineering-Partner der Automobilindustrie: Hier wurde auf Grundlage der Lebenszyklus-Betrachtung das CO2-Einsparpotenzial von einem rein batterieelektrischen Antrieb, einer Brennstoffzelle und einem Wasserstoffverbrennungsmotor untersucht. Das Ganze auf Basis des deutschen Strommix in 2030. Marc Sens, Studien- und Fachbereichsleiter bei IAV, fasst die Kernergebnisse der Studie wie folgt zusammen: „Mit allen drei untersuchten Antriebsvarianten ließe sich unter konsequenter Lebenszyklus-Betrachtung der CO2-Footprint im Verkehrssektor im Jahr 2030 deutlich reduzieren.“ Auch bei leichten Nutzfahrzeugen sind deutliche Einsparpotenziale möglich. „Dabei ist die Brennstoffzelle (132 bzw. 117 g CO2/km) nach unserer Kalkulation dem rein batterieelektrischen Antrieb (139 g CO2/km) aufgrund der für die 500 km Zielreichweite erforderlichen Batteriegröße sogar leicht überlegen“, so Sens.
Fazit
Die Brennstoffzellen-Technologie für Fahrzeuge befindet sich noch immer in einem frühen Stadium. Wer in seinem Handwerkeralltag täglich nicht mehr als 200, 300 km fährt, dem bieten die Brennstoffzellenfahrzeuge keinen Vorteil. Wer allerdings seine Baustellen in größerer Entfernung hat, für den könnte die Brennstoffzelle eine interessante Alternative sein. Allerdings hat Stellantis noch keine Preise für seine Brennstoffzellen-Transporter genannt.
Die Energiewende wird alle Energieträger nutzen müssen
Vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen über den Einsatz von Wasserstofftechnologien im Rahmen zukünftiger klimafreundlicher Mobilitätskonzepte weist der Vorsitzende des Deutschen Energieberater-Netzwerks DEN e.V., Dipl.-Ing. Hermann Dannecker, darauf hin, dass eine Beschränkung auf rein batterieelektrische Antriebe für die anvisierten Klimaziele nicht ausreichend sein dürfte. Deswegen begrüße er, dass nach Jahren der Blockade die Bundesregierung inzwischen eine sogenannte „Nationale Wasserstoffstrategie“ verfolge. „Trotzdem trifft man immer noch auf Skepsis, wenn es um den Einsatz von Wasserstoff oder ‚Power to X‘ geht“, stellt der Ingenieur fest. Vor allem sei dies im Bereich der individuellen Mobilität deutlich sichtbar. Für Dannecker sei es ein Fehler, den nötigen Handlungsspielraum frühzeitig einzuschränken, indem man bestimmte Techniken vernachlässigt oder gar ausschließt.
„Die Brennstoffzellentechnologie ist heute so weit fortgeschritten, dass Gebrauchstauglichkeit und Zuverlässigkeit nur noch eine untergeordnete Rolle spielen“, so Dr. Robert Staiger, Experte für Wasserstoffwirtschaft im DEN. „Die notwendigen Materialressourcen sind bei Brennstoffzellen und deren Speichertechnologie zudem um ein Vielfaches geringer als bei batterieelektrischen Fahrzeugen.“ Auch beim Thema Infrastruktur sieht Staiger einen Vorteil. Studien zeigten, dass eine Wasserstoff-Infrastruktur langfristig kostengünstiger zu schaffen sei als eine reine E-Ladestruktur. „Voraussetzung jedoch ist ein Kraftakt, um den Ausbau der erneuerbaren Energien so rasch wie möglich zu beschleunigen und unbürokratisch umzusetzen“, erläutert Staiger.