Planung der Wohnungslüftung

Komfort kommt vor Energieeinsparung

Im Wohnungsneubau und nach einer energetischen Sanierung ist der Einbau einer Ventilator-gestützten Wohnungslüftung praktisch unumgänglich. Mit reiner Fensterlüftung lässt sich nämlich der nach DIN 1946-6 geforderte Luftaustausch in dichten Gebäudehüllen nicht sicherstellen. Allerdings wird derzeit das Thema Lüftung in erster Linie unter dem Aspekt der Energieeffizienz betrachtet. Darunter leidet allerdings oftmals der wesentliche Sinn einer kontrollierten Wohnungslüftung: die Absicherung eines gesunden Raumklimas. Dabei ergibt sich eine vorbildliche Energieeffizienz bei Lüftungsanlagen praktisch automatisch, wenn die Anlagenwahl und Regelung in erster Linie auf den Komfort ausgerichtet ist.

In welche Richtung sich die Haustechnik für energieeffiziente Gebäude bewegt, ist deutlich an der sogenannten „EnEV easy“ abzulesen. Damit wird umgangssprachlich das Modellgebäudeverfahren für nicht gekühlte Wohngebäude bezeichnet, mit dem seit November 2016 die Erfüllung der Energieeinsparverordnung (EnEV) nachgewiesen werden kann – und zwar bis zur Erstellung des Energieausweises. Das Planen mit vorgegebenen Gebäudemodellen und Ausstattungsvarianten erspart somit die Berechnung des tatsächlichen Primärenergieverbrauchs des Hauses.

Unabhängig von der Beurteilung, ob diese zusätzliche Verfahrensweise eine tatsächliche Vereinfachung darstellt: Die Wahl der richtigen Anlagentechnik und die Beurteilung der Wechselwirkung mit der Bauphysik wird dadurch auf keinen Fall „easy“. Insbesondere nicht, wenn eine kontrollierte Wohnungslüftung zu planen ist, die in der „EnEV easy“ in 6 von 13 zur Wahl stehenden Anlagenkonzepten gefordert wird. Die Kriterien zulässiger Lüftungsanlagen beschränken sich dabei jedoch auf sehr rudimentäre energetische Vorgaben. Damit spiegelt die „EnEV easy“ eine extrem eindimensionale Denkweise wider, die in vielen Förderbindungen und Gesetzesvorgaben zu Effizienzhäusern zu finden ist. Die originäre Aufgabe einer Wohnungslüftung lautet jedoch: ein behagliches Innenraumklima sicherstellen. Wird das nicht erreicht, kann in der Praxis auch keine Energie eingespart werden.

 

Notwendiges Übel?

Die „EnEV easy“ macht in den Anlagenvarianten mit Wohnungslüftung folgende energetische Vorgaben:

eine oder mehrere Lüftungsanlage(n) mit Wärmerückgewinnung

Wärmerückgewinnungsgrad mindestens 80 %

Leistungszahl aus rückgewonnener Wärme zu Endenergieaufwand des Betriebs der Anlage mindestens 10

die anlagentechnische Belüftung muss das gesamte beheizte Gebäudevolumen direkt oder durch Überströmung erfassen

Investoren, aber auch nicht ausreichend informierte private Bauherren, sehen damit eine verpflichtende Ventilator-gestützte Wohnungslüftung eher als notwendiges „Kosten-Übel“. Denn da in der „EnEV easy“ auch sieben Ausstattungsvarianten ohne Wohnungslüftung angeboten werden, wird der Eindruck vermittelt, es ginge auch ohne. Doch abseits der ökologisch-energetischen Betrachtung eines Hauses ist es fraglich, ob Gebäude nach heutigen Dämmstandards tatsächlich ohne kontrollierte Wohnungslüftung auskommen. Eine Berechnung der Nennlüftung nach DIN 1946-6 wäre also auf jeden Fall erforderlich – und mit der kostenlosen Software „Systemair-Airplan“ ist das sogar in wenigen Minuten erledigt (Download-Link zur kostenlosen Software zur Erstellung von Lüftungskonzepten nach DIN 1946-6:  www.systemair.com/de/Deutschland/Support/Software-tools/).

In der Realität erfolgt die Planung einer entsprechenden Anlage aber vielfach nach der Maxime: „Wenn schon eine Wohnungslüftung gefordert ist, wie lässt sie sich mit möglichst geringen Investitionskosten realisieren?“ Doch entscheidend für die optimale Nutzung einer Wohnungslüftungsanlage – und damit nicht zuletzt auch für die tatsächliche Energieeffizienz – sind Komfortmerkmale.

Ein Beleg aus der Praxis dafür ist, dass Bewohner eine Lüftung häufig aufgrund der Geräuschbelastung ausschalten. Diese störende Lärmbelastung ist aber vornehmlich bei dezentralen Lüftungsanlagen der Fall, denn hier ist in jedem Wohnraum ein Ventilator direkt in der Wand eingelassen – mit entsprechender Geräuschkulisse. Statt mit der vorhandenen, maschinellen Lüftung wird dann häufig lieber herkömmlich über das Fenster gelüftet. In Häusern mit dichter Gebäudehülle reicht das aber erstens nicht aus. Und zweitens entweicht die Wärme dann doch zum Fenster hinaus. Lüftungsanlagen hingegen, die auf den Komfort ausgerichtet sind, senken sogar die Geräuschbelastung für die Bewohner. Nämlich dann, wenn die Wohnungslüftung nicht zu hören ist, die Fenster geschlossen bleiben können und somit zugleich der Verkehrslärm gedämpft wird.

Ein zweites Praxisbeispiel für „Sparen am falschen Ende“ ist der Verzicht auf eine bedarfsgerechte Regelung der Wohnungslüftungsanlage. Eine manuelle Vorwahl von Lüftungsstufen durch den Bewohner passt jedoch selten zum tatsächlich erforderlichen Luftwechsel. Der lässt sich aber über Sensoren, die den CO2-Gehalt und die Luftfeuchtigkeit in den Räumen messen, exakt ermitteln. Steigt durch Kochen oder Duschen die Luftfeuchtigkeit an bzw. erhöht sich die CO2-Konzentration, weil sich mehrere Personen im Raum aufhalten? Stufenlos regelbare Ventilatoren mit EC-Motoren laufen analog zu diesen Messwerten mit genau der Drehzahl, die für den Luftwechsel in der jeweiligen Situation erforderlich ist. Das stellt sowohl eine gleichbleibend gute Raumluft als auch die bestmögliche Energieeffizienz im Betrieb sicher.

 

Förderliche Luftfeuchtigkeit

Zur hygienischen Qualität des Innenraumklimas gehört zudem die Rückgewinnung der Luftfeuchtigkeit im Winter. Denn zu dieser Jahreszeit kann die Raumluft schnell austrocknen, wenn die Lüftungsanlage kalte Außenluft, die nur eine geringe Luftfeuchtigkeit enthält, zu- und andererseits mit Feuchte angereicherte Innenluft abführt. Trockene Raumluft führt zur Reizung der Schleimhäute, worunter insbesondere Allergiker leiden. Dem können Lüftungsanlagen mit Feuchterückgewinnung entgegenwirken.

Für die Wohnungslüftung bietet der Markt dazu im Wesentlichen zwei Systeme: Enthalpie-Gegenstromwärmeübertrager, die über Membranen eine Diffusion der Luftfeuchtigkeit von der Abluft zur Zuluft zulassen. Und Rotationswärmeübertrager, die nach dem Kondensationsprinzip arbeiten.

Dort, wo Minusgrade im Winter oder hohe Luftfeuchtigkeit im Sommer möglich sind, ist Rotationswärmeübertragern der Vorzug zu gegeben: Sie sind frostsicher bis -20 °C, während Gegenstromwärmeübertrager je nach Bauart unterhalb der Frostgrenze mit Heizregistern gegen einfrierendes Kondensat zu sichern sind. Bereits kurze Kälteperioden können dann die Energiebilanz der Wohnungslüftungsanlage drastisch verschlechtern.

Das Lüftungsgerät „SAVE VSR 500“ mit Rotationswärmeübertrager von Systemair (www.systemair.de) ist daher beispielsweise Passivhaus-zertifiziert.

Doch das Wichtigste ist der Komfort- und Hygienegewinn: Eine Überfeuchtung der Innenräume ist mit Rotationswärmeübertragern praktisch ausgeschlossen, was ansonsten insbesondere Asthmatiker belasten würde.

 

Weniger Feinstaubbelastung

Zunehmend in den Fokus geraten die gesundheitlichen Folgen durch Feinstaubbelastung – gerade in innenstadtnahen Wohnräumen. Denn schließlich atmet der Mensch im Tagesverlauf bis zu 20 kg Luft und damit jede Menge Schwebeteilchen ein. Feinstaub aber wird nicht durch die natürlichen Filter des Körpers, beispielsweise die Schleimhäute, aufgehalten. Mit 2,5 bis 10 μm sind diese Partikel dafür zu klein. Sie gelangen ungehindert in die Lunge, Teilchengrößen von 1 μm sogar in die Blutbahn. Die gesundheitlichen Folgen werden zwar noch im Detail erforscht. Doch ein höheres Risiko für Herzinfarkte und für Lungenerkrankungen bis hin zu Lungenkrebs gilt als Konsequenz zu hoher Feinstaubbelastung bereits als ausgemacht (www.euro.who.int/en/health-topics/environment-and-health/air-quality).

Der Kampf gegen Feinstaub hat auf der Verursacherseite längst begonnen, beispielsweise beim Straßenverkehr. Wie wertvoll der passive Schutz durch Wohnungslüftungsanlagen ist, die Feinstaub, Pollen und andere Stoffe filtern, findet allerdings bei der Planung der Haustechnik noch zu wenig Beachtung. Anders beim Gesetzgeber: Die erst 2012 novellierte Prüfnorm EN 779 für Filter wurde im Januar 2017 durch die ISO 16 890 ersetzt. In Deutschland gelten in einer Übergangszeit von 18 Monaten, also bis Juni 2018 noch beide Normen parallel. Die Prüfung der Filter nach der neuen Norm ISO 16 890 ist praxisgerechter und unterscheidet die Qualität der Abscheidung gemäß der Einordnung von Partikelgrößen analog der Vorgehensweise der Weltgesundheitsorganisation WHO. Die vier neuen ISO Gruppen als Ersatz für die bekannten Filterklassen sind dabei:

ISO ePM1 – Filter, die mindestens 50 % einer Fraktion mit Partikelgrößen von 0,3 bis 1 μm abscheiden (Viren, Bakterien, Nanopartikel, Feinstaubrückstände fossiler Verbrennungsprozesse)

ISO ePM2,5 – Filter, die mindestens 50 % einer Fraktion mit Partikelgrößen von 0,3 bis 2,5 μm abscheiden (Bakterien, Schimmelsporen, Pollen, Pilze)

ISO ePM10 – Filter, die mindestens 50 % einer Fraktion mit Partikelgrößen von 0,3 bis 10 μm abscheiden (Pollen, sonstige Stäube)

ISO coarse – Filter, die weniger als 50 % einer Fraktion mit Partikelgrößen von 0,3 bis 10 μm abscheiden (geeignet als Grobstaubfilter für Sand, Flusen, Haare etc.)

Der Buchstabe „e“ vor dem PM-Wert steht für die „Effizienz“ der Abscheidung. Somit werden Filterbezeichnungen künftig auch den Abscheidegrad angeben. Ein Filter „ePM 2,5 65 %“ scheidet also 65 % einer Fraktion mit Partikelgrößen von 0,3 bis 2,5 μm ab. Das entspricht in etwa einem F7-Filter nach EN 779, wobei sich hier der Abscheidegrad lediglich auf eine Partikelgröße von 0,4 μm bezieht; ein Laborwert, der nicht die Außenluftqualität repräsentiert. Die Zusammensetzung des Prüfstaubs gemäß der neuen Prüfnorm ISO 16 890 hingegen passt zum Beispiel zu den Bewertungsmaßstäben, die auch die Umweltämter an ihre innerstädtischen Messstellen anlegen. Die daraus resultierende differenziertere Aufteilung der Filterklassen ist daher mit Blick auf die erreichbare Innenraumluftqualität aussagefähiger.

Prinzip: Gegenstromwärmeübertrager

Beim Gegenstromwärmeübertrager, der auch Plattenwärmeübertrager genannt wird, werden im Gegenstrom Abluft und Zuluft aneinander vorbei geführt. Die Platten übertragen dabei die Wärme. Sind sie als Membranen ausgeführt, lassen sie zusätzlich Feuchtigkeit diffundieren – allerdings ungeregelt. Für die meisten Geräte mit Enthalpie-Verfahren ist außer einem Kondensatablauf auch ein Vereisungsschutz vorzusehen. Fehlt jedoch ein Frostschutz, der auf der Feuchtemessung der Abluft basiert, kann bei zu niedrigen Außentemperaturen die Lüftung nur als Abluftanlage ohne Wärmerückgewinnung betrieben werden.

Prinzip: Rotationswärmeübertrager

Im Rotationswärmeübertrager durchströmt die Abluft den oberen Bereich des Rotors. Die große Oberfläche der vielen Aluminiumlamellen erwärmt sich, gleichzeitig kondensiert an den Lamellen die Feuchtigkeit. Durch Drehung des Rotors gelangen Wärme und Feuchte in den unteren Zuluftstrom und werden dort wieder abgegeben. Eine neutrale Zone im Luftstrom verhindert den Übertrag von Gerüchen. Ein Kondensatablauf ist nicht erforderlich – es besteht auch keine Vereisungsgefahr. Die Regelung der Feuchterückgewinnung ergibt sich aus dem physikalischen Prinzip der Kondensation sowie durch eine Anpassung der Rotordrehzahl.

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