Lüftungstechnik in
Wohnungen – ein Muss?

Im Interview Peter Paul Thoma, Geschäftsführer des VfW

Lüftungstechnische Maßnahmen, die über die Fensterlüftung hinausgehen, werden bislang vorrangig als Lösungen für Neubauten, Passivhäuser und Energieplushäuser angesehen. Im Interview mit Dipl.-Ing. Peter Paul Thoma, Geschäftsführer des VfW – Bundesverband für Wohnungslüftung e. V. geht der SHK Profi-Redakteur Marcus Lauster der Frage nach, ob ventilatorgestützte Systeme vielleicht alsbald schon als Stand der Technik angesehen werden müssen.

SHK Profi: Die Anforderungen an die Gebäudehülle sind hoch. Die Auswirkungen sind dichte Gebäude. Ein Luftwechsel ist immer schwerer per Fensterlüftung zu gewährleisten. Ist damit zwingend eine mechanische Lüftung notwendig?

Thoma: Es ist richtig, dass die Energieeinsparverordnung im Neubau und in der energetischen Sanierung ein luftdichtes Gebäude fordert, jedoch der in der Verordnung geforderte Mindestluftwechsel zum Bautenschutz und für die Gesundheit der Bewohner in der Praxis völlig unzureichend umgesetzt wird, was sich auch an der gestiegenen Zahl der Rechtsstreitigkeiten widerspiegelt. Dabei muss die lüftungstechnische Maßnahme nicht immer eine mechanische Lüftung sein, aber zwingend notwendig ist es, im Rahmen eines Lüftungskonzepts nach DIN 1946-6 zu prüfen, ob eine lüftungstechnische Maßnahme erforderlich ist oder nicht.

Wurde ein Gebäude nach dem Stand der Technik abgedichtet, ist die natürliche Infiltration derart gering, dass selbst die Fensterlüftung nicht mehr ausreicht. Die Folge sind erhöhte Luftfeuchtigkeit und Schimmelgefahr insbesondere an Wärmebrücken. Darüber hinaus verschlechtert sich die Luftqualität in den Räumen. Nicht umsonst hat der Gesetzgeber in der Energieeinsparverordnung bereits eine Abluftanlage mit Außenluftdurchlässen im Referenzgebäude der EnEV 2009 und 2014 fest verankert.

SHK Profi: Mit welchen rechtlichen
Konsequenzen müssen SHK-Handwerker rechnen?

Thoma: Leider zeigt meine Erfahrung als öffentlich bestellter Sachverständiger im Bereich Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechnik zahlreiche Fälle, bei denen energetisch saniert wurde bzw. sogenannte KfW-Effizienzhäuser als neu gebaute Mehrfamilienhäuser errichtet wurden, in denen jedoch keine ausreichende Lüftung zum Feuchteschutz und schon gar nicht die Nennlüftung nach DIN 1946-6 erreicht wurde. Die Konsequenzen kommen erst dann zum Tragen, wenn es zum Rechtsstreit kommt und insbesondere dann, wenn es, aufgrund mangelhafter Lüftung, zu Bauschäden oder Gesundheitsschäden geführt hat.

Die Erfahrung zeigt, dass den Richter nicht unbedingt die Einhaltung irgendwelcher Normen interessiert, sondern vielmehr die Beschaffenheitsvereinbarungen d.h. eine Wohnung muss zum Wohnen geeignet sein und der Bautenschutz und Feuchteschutz muss unabhängig vom Nutzer funktionieren. Nutzerunabhängig bedeutet, dass die Fensterlüftung als notwendige lüftungstechnische Maßnahme nicht einbezogen werden kann.

Wenn es also in so einem Neubau zu Schäden kommt und ein Sachverständiger feststellt, dass hier das Lüftungskonzept der DIN 1946-6 nicht eingehalten wurde, kämen vor Gericht zwei Faktoren zusammen, die mit höchster Wahrscheinlichkeit zur Haftung des Planers oder Bau ausführenden Handwerkers führt; es wurde eine Regel der Technik wie bzw. das Lüftungskonzept nach DIN 1946-6 nicht beachtet oder es ist zu einem Bau- oder Personenschaden gekommen.

In erster Linie ist natürlich der Planer, der Architekt oder Bauträger verantwortlich. Dennoch kann das ausführende Handwerk in die Haftung einbezogen werden. Das gilt  sowohl  für den Fensterbauer, der die dichten Fenster einbaut, für den Bauhandwerker, der die Gebäudehülle abdichtet, als auch den Dachdecker und natürlich für den SHK-Installateur, der in einem Bad oder WC einen 20 m³- bis 60 m³/h-Lüfter eingebaut hat. Hier hätte der SHK-Handwerker darauf hinweisen müssen, dass wohlmöglich nach Lüftungskonzept die Außenluftrate nicht sichergestellt ist und somit Schimmel- und Gesundheitsgefahr besteht.

SHK Profi: Sie haben ein Rechtsgutachten erstellen lassen. Welche Kernaussage ist für SHK-Handwerker besonders wichtig?

Thoma: Da es keine klare gesetzliche Regelung zur Anwendung der DIN 1946-6 gibt, ist die Rechtslage bei Haftung von Feuchte- und Schimmelschäden unklar. Das Rechtsgutachten des VfW-Bundesverband für Wohnungslüftung macht deutlich, dass sich Bauherren, Planer, Architekten und Handwerker erheblichen Risiken aussetzen, wenn sie auf die notwendigen lüftungstechnischen Maßnahmen in neugebauten oder energetisch sanierten Wohnungen verzichten. Für den SHK-Handwerker ist hierbei wichtig zu erkennen und entsprechend anzuzeigen, wann und welche lüftungstechnischen Maßnahmen mindestens erforderlich sind.

Diese Unsicherheit ist zugleich auch eine Chance für den SHK-Handwerker hier beratend tätig zu werden und dafür zu sorgen, dass eine energetisch sinnvolle Wohnraumlüftung eingebaut wird. Der VfW- Bundesverband Wohnungslüftung bietet auf www.wohnungslueftung-eV.de ein kostenloses Planungstool an. Damit kann im ersten Schritt überprüft werden, ob eine lüftungstechnische Maßnahme erforderlich ist oder nicht, da dies vom Bautyp der Grundfläche, der Lage (Wind stark/Wind schwach) und der Gebäudedichtigkeit aufgrund der Gebäudetypologie abhängig ist. Die Pflicht zum Lüftungskonzept ersetzt es allerdings nicht. Unser Verband bietet in Kürze erstmals zusammen mit dem ZVSHK Seminare zu dieser Thematik an.

SHK Profi: Welches Vorgehen können Sie SHK-Handwerkern empfehlen? Was sollten Sie Endkunden bezüglich der Lüftung empfehlen?

Thoma: SHK-Handwerker sollten aufmerksam sein, wenn sie in einem Neubau oder sanierten Bau einfache WC-Lüfter in Bädern installieren, die in Kombination mit Fensterfalzlüftern für die Lüftung zum Feuchteschutz nach DIN 18 017 und DIN 1946-6 gedacht sind. Hier muss der Lüfter auf Dauerbetrieb mit den entsprechenden Normwerten eingestellt werden, damit eine Anrechnung der Lüftung zum Feuchtschutz erfolgen kann – das Verfahren ist aufwendig und bedarf einer Schulung der Normen. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte der SHK-Handwerker eine kontrollierte Wohnungslüftung anbieten. Wenn das vom Bauherren nicht gewollt ist, sollte der Handwerker zumindest dem Bauträger bzw. Bauherrn und Auftraggeber seine Bedenken schriftlich mitteilen (siehe Infokasten), um hier nicht in die Haftung zu geraten. Wie bereits erwähnt, bietet der Bundesverband Weiterbildungs­möglichkeiten für das Handwerk zum Thema Lüftung an.

SHK Profi: Mit welchen Auswirkungen ist auf das Bauen zu rechnen?

Thoma: Mit der luftdichten Bauweise ist der für die Gesundheit und den Bautenschutz notwendige Luftaustausch ohne Wohnungslüftungsanlage technisch kaum noch erreichbar. Die neue Bauweise hat auch zur Folge, dass es in Zukunft vor allem um die Be- und Entlüftung weniger um das Beheizen des Gebäudes geht und die Wärme- und Kälteerzeugung überwiegend für Warmwasser, Lüftung und Klimatisierung bereitgestellt werden muss. Ganz auf die Heizung verzichten – wie es der Gedanke des Passivhauses ist – wird man auch in Zukunft nicht. Für das SHK-Handwerk bedeutet das vor allem im Neubau eine Verlagerung der Tätigkeiten auf Trinkwasserhygiene und Lufthygiene. Ich bin mir ganz sicher, dass das SHK-Handwerk  gut gerüstet ist, sich den neuen Technologien zu stellen.

SHK Profi: Vielen Dank.

Online Plus

Der VfW- Bundesverband für Wohnungslüftung empfiehlt SHK-Betrieben Bedenken gegenüber dem Bauherrn anzumelden, wenn Sanierungsmaßnahmen am Gebäude anfallen oder bekannt sind wie bspw. der Austausch von Fenstern und neue Dachdeckung und kein Lüftungskonzept vorliegt. 

MUSTERSCHREIBEN: BEDENKENANMELDUNG FÜR FEHLENDES LÜFTUNGSKONZEPT IM GEBÄUDEBESTAND  
Der VfW- Bundesverband für Wohnungslüftung empfiehlt SHK-Betrieben Bedenken  gegenüber dem Bauherrn anzumelden, wenn Sanierungsmaßnahmen am Gebäude anfallen oder bekannt sind wie bspw. der Austausch von Fenstern und neue Dachdeckung und kein Lüftungskonzept vorliegt. Dazu bietet der VfW folgendes Musterschreiben an:
 
„Sehr geehrter Bauherr,
wir sind in Ihrem Objekt beauftragt, die SHL-Anlage zu modernisieren und stellen fest, dass Sie den Wärmeschutz durch Austausch von Fenstern und Außendämmung verbessern. Wir weisen darauf hin, dass ein Lüftungskonzept nach DIN 1946 Teil 6 bei Ausführung dieser Maßnahmen zur Sicherstellung eines Mindestluftwechsels erforderlich ist.
Gerne beraten wir Sie über die sicherste und komfortabelste Lösung, dem Einbau einer kontrollierten Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung. Bei solchen Anlagen werden drei wichtige Aspekte erledigt: 1. Sie erhöhen die Energieeffizienz anrechenbar bei KfW-Anträgen und wirtschaftlich abbildbar. 2. Sie schützen Ihre Bausubstanz nachhaltig. 3. Sie sorgen für ein gesundes und hygienisches Raumklima (Beseitigung von Ausdunstungen aus Baustoffen und Möbel usw.)...“

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