Berliner Energietage 2020

Der digitale Sommer der Energiewende

Vieles ist anders im Jahr 2020. Die Corona-Pandemie mit dem Covid-19 hat bei vielen Veranstaltungen zu Verschiebungen oder gar Ausfällen geführt. Umso erfreulicher sind die Initiativen und Anstrengungen, u.a. mit Online-Aktivitäten dagegen zu halten und so die wichtigen Elemente des Berufslebens – Weiterbildung und fachlicher Austausch – fortzuführen. So fanden die bisherigen Berliner Energietage als reine Online-Veranstaltungsserie gestreckt über mehrere Wochen im Mai und Juni statt.

Die Berliner Energietage wurden 2020 als
Onlineveranstaltungs-reihe durchgeführt.
Foto: Rolf Schulten/Berliner Energietage

Die Berliner Energietage wurden 2020 als
Onlineveranstaltungs-reihe durchgeführt.
Foto: Rolf Schulten/Berliner Energietage
Zwar zeigten sich anfangs die generellen Probleme in Deutschland auch hier noch, die in technischen Unzulänglichkeiten und nicht ausreichenden Übertragungsnetzen liegen. Dennoch konnten die einzelnen Veranstaltungen unter dem Dach mit Improvisation, Geduld und einer Prise Humor zum Erfolg geführt werden. „Start-up-Atmosphäre hat die Veranstaltungsreihe geprägt“, sagte Jürgen Pöschk von Veranstalterseite daher auch bei der online durchgeführten Abschlusskonferenz.  Die SHK Profi-Redaktion nahm sich die Zeit, aus dem reichhaltigen Angebot der Energietage an einer ganzen Reihe der Veranstaltungen teilzunehmen. Schlaglichtartig können an dieser Stelle nur einzelne Themen aus 100 h Veranstaltungszeit mit rund 300 Referenten beleuchtet werden.

Aus den Vortragsreihen

Eines der behandelten Zukunftsthemen im Rahmen der Energiewende sind elektrische Quartierspeicher, wie sie bei einer vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung durchgeführten Veranstaltung zur Sprache kamen. Mehrere Quartiere wurden vorgestellt und die untersuchte Kundenakzeptanz besprochen. Deutlich wurde, dass sich viele Kunden durchaus die Nutzung eines Gemeinschaftsspeichers vorstellen können. Vorteile werden insbesondere bei der Absicherung von Stromausfällen gesehen. Dennoch muss sich die Nutzung für Endkunden auch wirtschaftlich lohnen. Ein Hindernis für die breite Einführung gelten aktuell die noch zu hohen Investitionskosten. Bislang gebe es gegenüber einer Fremdversorgung nur eine geringe zusätzliche Zahlungsbereitschaft wie etwa Frieder Schnabel vom Fraunhofer IAO in Stuttgart zum Thema „Dienstleistungen und Geschäftsmodelle für Quartierspeicher“ erläuterte. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen werden für die Einführung von Quartierspeichern als nicht förderlich bezeichnet: Sobald der Erzeuger nicht
100 % seiner bereitgestellten Energie später selber nutzt, gilt eine Quartierslösung nicht als Eigenversorgung und unterliegt damit allen Melde- und Dokumentationspflichten und Abgaben.

Ein Thema, das großen Anklang fand, war das Thema Wasserstoff als ein Energieträger der Zukunft. Das Thema, das zeitlich passend zur von der Bundesregierung verkündeten nationalen Wasserstoffstrategie, wie sie Thorsten Herdan, BMWI, ankündigte, besprochen wurde, hat viele Aspekte. So wird Wasserstoff aktuell bereits aus Erdgas erzeugt, um Stahl im großen Umfang mit einer geringeren CO2-Belastung erzeugen zu können. Wasserstoff soll zudem in der Mobilität vor allem im Lastverkehr als Energieträger genutzt werden. Weiterhin bietet sich die Brennstoffzellenheizung als Nutzer an. Letztlich jedoch muss es Zielsetzung sein, Wasserstoff vermehrt direkt aus Wasser und Überschussstrom zu erzeugen. Der große Vorteil des Energieträgers Wasserstoff liegt im gut ausgebauten Gasnetz in Deutschland, das angepasst als Speicher und Transportweg für den erzeugten Wasserstoff genutzt werden kann. Damit halten sich die Investitionen in die Infrastruktur in Grenzen. Von entscheidender Bedeutung ist es jedoch, dass Strom- und Gasnetze deutlich integrierter betrachtet werden müssen, um die Energiewende voranzubringen. Die Erzeugung von Strom und Gasen (Stichwort: Wasserstoffwirtschaft) müsse in immer größerem Anteil aus regenerativen Quellen erzeugt werden. Um dies wirtschaftlich zu erreichen, müssen, so die im Forum „Wasserstoff & Brennstoffzelle: Von der Nordsee in den Heizungskeller“ beteiligten Fachleute, die Technologien schnell hochgefahren werden. Dazu sei anfangs auch mit fossilen Quellen zu arbeiten.

Als Entwicklung von Stadtgas über Erdgas zu grünem Wasserstoff wurde das Thema von der ASUE ebenfalls intensiv diskutiert. Aktuell gebe es in Deutschland Elektrolysekapazitäten von rund 25 MW. Um hier eine Skalierung in größere Dimensionen zu erreichen, sei es sinnvoll schnelle und wirtschaftliche Wege zu ergreifen und nicht sofort auf eine 100-%-Lösung zu setzen. Andreas Kuhlmann, dena, stellte fest: „Heute wissen wir, wir werden flüssige und gasförmige Energieträger auch in Zukunft benötigen.“ Zudem sei es bei den Themen Energiewende und Klimaschutz wichtig, technologieoffen und international zu denken. Unter dem Schlagwort „Machen statt reden“, stellte Prof. Dr. Norbert Fisch in seinem Vortrag „Grüner Wasserstoff real: Neue Weststadt Esslingen“ aktuelle Möglichkeiten und Hindernisse vor. Letztlich sei auch bei der Erzeugung des Wasserstoffs der Strompreis ein mitentscheidender Faktor für dessen Wirtschaftlichkeit.

Norbert Zösch, Stadtwerke Haßfurt, stellte die Projekte in seiner Kommune vor und die eigenen Anstrengungen aus lokal zur Verfügung stehender Überschussenergie aus Photovoltaik und Windkraft Wasserstoff zu erzeugen und zeitlich versetzt auch wieder vor Ort zu nutzen. Das hierzu eingesetzte BHKW von 2G Energy bietet im Erdgasbetrieb bis zu 200 kWel, bei Einsatz von reinem Wasserstoff aus einem Elektrolyseur werden im Testbetrieb bisher bis 140 kWel erreicht. Die Anlage mit Leuchtturmcharakter erhielt kürzlich die Auszeichnung „BHKW des Jahres“, da es so Laudator Claus-Heinrich Stahl, Präsident des B.KWK, eine hervorragende Kooperation von Betreiber, Hersteller und Wissenschaft zeige und Grundsatzwissen für die zukünftige Nutzung von Wasserstoff oder Mischgasen in der KWK bringe.

Dabei gelte es, künftig mit Flächen in Gebäuden effizienter umzugehen. Denn jeder nicht benötigte Quadratmeter benötige auch keine Energie. Es komme auf mehr Qualität bei der Gebäudenutzung an, wie Holger Knuf, i2fm, Oberhausen mit Blick auf den Objektbau und Bürogebäude, in einer weiteren Veranstaltung sagte. Qualität bei der Gebäudenutzung bedeute: die richtige Fläche mit der richtigen Ausprägung, der richtigen Einrichtung, der richtigen Ausstattung, der richtigen Technik, der richtigen Versorgung, der richtigen Services, gemessen an den Dingen, die die Nutzer darin tun. Er sprach diesbezüglich von der Arbeitsplatzmelodie und stellte klar, dass „Open Space“-Konzepte nur für eine von vielen Arten der Arbeit richtig sei. Zudem legte er Wert darauf, dass Energiekosten nur zu rund 6 % an der Ökonomie eines Gebäudes beitragen. Die Kapitalkosten nehmen mit 64 % den größten Anteil ein. Fläche, die nicht benötigt werden, müsse weg. Die restliche Fläche, in der Regel könnten 50 % entfallen, sei durch eine höhere Qualität zu ersetzen. Dies bedeute letztlich mehr Aufwand je Quadratmeter, erhöhe aber die geleistete Arbeitsqualität. Flächen für ruhige Konzentrationsarbeiten müssten ebenso vorhanden sein, wie die Flächen für eine kommunikative Arbeit. Durch die Flächenreduzierung insgesamt seien dennoch große Einsparungen möglich.

Die Energiewende benötigt mehr als nur regenerative Energien. Sie braucht auch smarte Konzepte und smarte Immobilien. So ein weiteres Thema. „Die Technik sollte sich den Nutzern anpassen“, sagte Prof. Birgit Wilkes, TH Wildau, Leiterin Institut für Gebäudetelematik. Dies gelte insbesondere bei der Ertüchtigung von Bestandsgebäuden. Assistenzsysteme können eine wertvolle Hilfe sein. Dabei sollte diese jedoch so gestaltet sein, dass die Technik im Hintergrund verschwindet und den Menschen nicht bevormunde.

Unter dem Motto „Gebäude 4.0 – Smart ist, wenn es funktioniert“ wurde dieses Thema in einem weiteren Forum ebenfalls diskutiert. Stefan Plesser, Geschäftsführer Synavision, erläuterte, dass die immer weiter gestiegenen Anforderungen an Gebäude in Form von Energieeffizienz, Innenraumqualität usw. dazu führen, dass eine integrale Planung zur Notwendigkeit wird. Nur so könne die Vielzahl an Techniken zusammengeführt werden, die zur Erfüllung dieser Anforderungen notwendig sei. Dazu müsse bereits bei der Bedarfsplanung definiert werden, wie das Gebäude funktioniert werden soll. Dies führe zu einem digitalen Zwilling für die gewünschten Funktionalitäten des Gebäudes. Im technischen Monitoring werden dann die realen Betriebsdaten gegen die Vorgaben des Modells verglichen und so ein digitales Qualitätsmanagement für die Gebäudetechnik eingerichtet, dass die stetige Optimierung eines Gebäudes erlaube. Dies bestätigte Jochem Gombert, vom zentralen Baumanagement bei der Deutsche Bundesbank und erläuterte an einem konkreten Fall wie eine Digitalisierung auch beim Umbau eines Gebäudes möglich ist: „wir gehen in frühen Testphasen an die Anlagen, um zu testen, ob gewünschte Eigenschaften eines Raumes auch erreicht werden.“ Frank Knafla, Phoenix Contact, forderte diesbezüglich, dass künftig kein Gerät mehr in einem Gebäude verbaut werden dürfe, dass keine Daten liefern kann.

In den kurz exemplarisch vorgestellten und zahlreichen weiteren Foren wurden intensiv, facettenreich und erstmals digital auf diesem Kongress zur Energiewende diskutiert. Deutlich wurde dabei vor allem eines: Strom- und Gasnetze müssen deutlich integrierter betrachtet werden, um die Energiewende deutlich schneller voranzubringen.

Fazit

Das digitale Format zeigte sich als zukunftsweisend. Denn als Teilnehmer hatte man die Möglichkeit, zeit- und tageweise ganz nach eigenen Interessen ausgewählt sich die Zeit für die Teilnahme einzuteilen. Eine Durchführung als Hybridveranstaltung im nächsten Jahr aus Präsenzveranstaltung und digitalen Formaten könnte ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor für die Zukunft der Energietage 2021 als Leitveranstaltung der Energiewende in Deutschland sein. „Wir sind ein Stück weit zu einer Energiecommunity zusammengewachsen“, wurde auf der Abschlussveranstaltung der Energietage 2020 zufrieden verkündet. Und es gab noch einen letzten Tipp zum Schluss: Der Aufwand, digitale Veranstaltungen durchzuführen, sollte nicht unterschätzt werden.

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