Erst die Mode, dann die Toilettenschüsseln

Von der Auszubildenden zur Niederlassungsleiterin – Michelle Schneider im Portrait

Mit dem komplexen Thema Installation kennt sie sich aus. Sie weiß, welchen Durchmesser ein Innengwinde hat und was eine Übergangsverschraubung ist. Sie selbst bewertet sich als einen sehr ehrgeizigen Menschen – und genau das zeigt ihre bisherige berufliche Karriere, die sie beim Großhändler Reisser absolviert hat: Die 27-jährige Michelle Schneider hat binnen weniger Jahre die Karriereleiter erklommen, war jüngste Gruppenleiterin und ist nun die neue Niederlassungsleiterin in Böblingen. Sie berichtet, wie ihr das seit der Ausbildung gelungen ist, was sie so antreibt und an der SHK-Branche fasziniert.

Ursprünglich will Michelle Schneider nach dem Abschluss der Werkrealschule in einem sozialen Beruf arbeiten, Erzieherin werden. Doch ihr Faible für Mode führt sie in ein Modeunternehmen mit eigener Designabteilung. Als die Firma kurz danach insolvent geht, sitzt der Schock – vor allem bei den Eltern – tief. Was nun? Kaufmännisches Berufskolleg oder rein ins Berufsleben? „Ich musste beim Arbeitsamt vorstellig werden, das war dort echt eigenartig. Also habe ich mich selbst auf die Suche nach einer Lösung gemacht.“ In der Berufsschule hatte sie Kontakt zu Reisser-Auszubildenden, die sich begeistert von der Firma zeigten und den Zusammenhalt lobten. „Also habe ich in der Personalabteilung ein bisschen frech angefragt, ob es ok wäre, wenn zu den 16 Azubis noch einer dazu kommt.“ Die junge Frau erinnert sich heute noch gut an ihr Vorstellungsgespräch vor Ort: „An der Pforte musste man einen Passierschein ausfüllen, innen gab es grüne Möbel auf gelbem Teppich. Das war damals old-school.“ Im Frühjahr 2016 startet sie die Ausbildung zur Kauffrau im Groß- und Außenhandel. „Ich wollte immer mehr machen, zusätzliche Verantwortung übernehmen", berichtet Michelle Schneider.
Bild: Reisser

„Ich wollte immer mehr machen, zusätzliche Verantwortung übernehmen", berichtet Michelle Schneider.
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Dass Michelle Schneider im fünften Ausbildungsmonat nahtlos zum SHK-Großhändler wechseln kann, hat sogar einen innerfamiliären Bezug, wie sie erzählt: „Meine Oma hat hier schon in der Buchhaltung gearbeitet. Manchmal zeigte sie mir stolz das Foto von sich zusammen mit dem damaligen Firmenchef Helmut Reißer. So kam ich also von der Mode zu den Toilettenschüsseln.“ Sie lernt alle Abteilungen kennen, merkt schnell, dass ihr der Vertrieb am meisten liegt und sie in diesen Bereich übernommen werden will. Trotz der Vorgeschichte mit dem ersten Ausbildungsbetrieb und dem unerwarteten Wechsel gelingt es ihr, die Ausbildung auf 2,5 Jahre zu verkürzen. Michelle Schneider startet als Sachbearbeiterin im Verkauf Sanitär.

Mehr Verantwortung übernehmen

Es dauert gerade mal zwei Jahre, bis Michelle Schneider dann als Teamleiterin für das Gebiet Nagold, Freudenstadt und Stuttgart agiert. „Ich habe mich immer angestrengt, mehr zu machen und auch mein Interesse angemeldet, diese Position zu bekleiden. Ich wollte zusätzliche Verantwortung übernehmen, also habe ich berufsbegleitend auch noch die Ausbildung zum Wirtschaftsfachwirt gemacht.“ Konkret heißt das: An drei Tagen pro Woche büffeln – von Steuerwesen bis BWL.

Angebote erfassen, Bestellung aufnehmen, Lieferzeiten abklären. Das gehört zu den alltäglichen Aufgaben der Sachbearbeitung, genau wie der rege Austausch mit den Herstellern, Nachlässe nachfragen, Reklamationen abwickeln und sich intern mit der Buchhaltung verständigen. In der Teamleitung gibt es neue Aufgaben, beispielsweise Differenzen in Aufträgen zu klären, viel mit dem Außendienst zusammenzuarbeiten, Menschen zu führen. Ob Konditionen, Kalkulationen oder Teambuilding: Michelle Schneider geht in ihrer Arbeit auf, freut sich über Preisverantwortung, den engen Austausch mit den Fachverkäufern, die Berichte an die Verkaufsleitung. Zusätzlich betreut die ehrgeizige junge Frau einen kleinen Kundenkreis als Außendienstlerin. „Ich wollte mich um die Menschen auch persönlich kümmern, nicht nur im Innendienst. Sich mit Kunden regelmäßig an den Tisch setzen, vor Ort Gespräche führen, das war eine schöne Erfahrung, die hat mich ein Stück weitergebracht. Man bekommt sehr relevante und ungefilterte Informationen. In diesem Aufgabenbereich bin ich sehr gewachsen.“

Fachkompetenz, Engagement und Eigeninitiative

Und welche Herausforderung gab es, als jüngste Teamleitung neben den vielen erfahrenen Kollegen zu bestehen? „Das hat gut funktioniert. Man hat da selbst mehr Angst, gerade wenn man in einer großen Runde Verbesserungsvorschläge bringt oder Ideen hat, wie die Firma schneller zum Ziel gelangt.“ Ihr Engagement, so manches zu modernisieren, trägt schnell Früchte. Der Zeitpunkt ist genau richtig, erinnert sich die junge Frau: „Als Guntram Wildermuth-Reißer den Vorstandsvorsitz übernahm, kam sehr viel Bewegung. Der Change Prozess wird seither ernsthaft verfolgt und ich habe verstärkt die Chance, mich mit der eigenen Fachkompetenz einzubringen. Ich stehe auf Herausforderungen, ich bin unkompliziert und anpassungsfähig. Wenn ich mich für einen Schritt entschieden habe, dann gehe ich den auch konsequent.“

Und wie kommt Michelle Schneider in der männerdominierten SHK-Branche zurecht? „Ich bin da relativ stabil, kümmere mich bestmöglich um alle Angelegenheiten. Wenn mir jemand mal etwas zum Beispiel als Frau nicht zutraut, ist das für mich extra Ansporn – dann beweise ich das Gegenteil!“ Sie hält viel davon, Probleme ernst zu nehmen, nicht in anderen Abteilungen abzuladen oder dort Verantwortliche zu suchen. Michelle Schneider kann eigene Fehler zugeben, auf Erwartungen eingehen und lösungsorientiert agieren.

Der nächste Karriereschritt lässt daher nicht lange auf sich warten: Als die stellvertretende Verkaufsleiterin schwanger wird, artikuliert Michelle Schneider ihr Interesse. Um den Posten auszufüllen, macht sie nebenbei noch den Ausbilderschein und drückt die Schulbank für den Betriebswirt. Karsten Voit, Gesamtvertriebsleitung der Reisser-Gruppe, wird aufmerksam auf die engagierte Mitarbeiterin. Er eröffnet ihr diese Chance, erst als Kommissarische Verkaufsleitung, nach 1,5 Jahren dann als Verkaufsleitung Sanitär Installation. „Das war ein aufregender Tag, als das verkündet wurde, da hatte ich echt Herzrasen“, erinnert sich Michelle Schneider. „Es braucht immer Menschen, die einen unterstützt und hinter einem stehen, daher bin ich meinem Mentor Karsten Voit sehr dankbar.“ Berufsbegleitend hat Michelle Schneider auch noch die Ausbildung zum Wirtschaftsfachwirt gemacht.
Bild: Reisser

Berufsbegleitend hat Michelle Schneider auch noch die Ausbildung zum Wirtschaftsfachwirt gemacht.
Bild: Reisser

Eher aus einem Scherz heraus verkündet Michelle Schneider: „Nun kann ich den Bereich Heizung als Verkaufsleitung ja auch noch übernehmen! Und weil der bisherige Verantwortliche in Heilbronn wohnt und dort lieber in den Außendienst wechselte, hieß es: mach das gerne, wenn du willst.“ Als Verkaufsleiterin für alle Bereiche besucht Michelle Schneider die Kunden, lernt die Sachbearbeiter kennen und führt eine aus 35 Personen bestehende Vertriebsabteilung. „Während es im Sanitärwesen viel um Designs, Serien und Marken geht, habe ich im Bereich Heizung nun mit zahlreichen technischen Aspekten zu tun. Dazu kommt die Installation als Schnittstelle. Alles davon hat einen eigenen Reiz.“

„Ich denke in Lösungen, nicht in Problemen.“

Kein Tag in ihrem Job ist wie der andere. Als Verkaufsleiterin hat sie nun mehr Entscheidungshoheit, ist verantwortlich für den Umsatz, gestaltet umfangreiche Objektverhandlungen sowohl mit Kunden als auch Herstellern. „Ich denke in Lösungen, nicht in Problemen. Und ich begegne den Leuten mit Wertschätzung. Das war schon immer so“, resümiert Michelle Schneider. Den Menschen neue Denkanstoß geben, umsetzbare Optionen artikulieren, für so manches einen Anstoß geben – auch darin sieht sie ihre Aufgabe. Dem Team will sie Raum für eigene Entscheidungen geben und eine Wohlfühlatmosphäre schaffen: „Ich signalisiere: du darfst das, probiere dich aus! Ich will die Menschen befähigen, Dinge eigenverantwortlich zu tun. Dafür gestalte ich den Rahmen, motiviere, baue sie auf.“

Mit diesem Mindset, dem hohen persönlichen Einsatz und Engagement hat es Michelle Schneider aktuell zur Reisssr-Niederlassungsleiterin in der Firmenzentrale Böblingen gebracht, in der Rolle fungiert sie seit September 2024. Von den anderen Niederlassungsleitern wurde Michelle Schneider sehr gut aufgenommen und im Führungskreis willkommen geheißen, bei Fragen und Unklarheiten ihr mit Hilfestellungen zur Seite gestanden.

Vom Außendienst bis zu den Fachverkäufen, von den Angebotsabteilungen bis zu den Designbad-Ausstellungen in Böblingen und Tübingen: Insgesamt 80 Personen gehören nun zu ihrer Mannschaft. Dass Erfolg kein Glück ist, sondern das Resultat von Fleiß, davon ist Michelle Schneider überzeugt: „Es fliegt einem nichts zu, manchmal muss man auch kämpfen, sich beweisen. Wichtig ist, dass man sich als junge Frau nicht einschüchtern lässt – nur weil andere mehr Erfahrung oder Knowhow haben, muss man sich nicht klein fühlen.“

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