Entgasung nach dem Henry’schen Gesetz

Heizungs- und Kühlanlagen störungsfrei und effizient betreiben

Der englische Chemiker William Henry und seine Untersuchungen zur Menge von in Wasser absorbierten Gasen sowie zum Einfluss von Druck und Temperatur stehen Pate für das Gesetz von Henry. Dieses Prinzip aus dem 19. Jahrhundert findet heute auch bei Heizungs- und Kühlsystemen Anwendung – nämlich bei der Entgasung des Anlagenwassers. Bei Niedrigtemperatursystemen bestehen jedoch spezielle Anforderungen daran, wie dieser Prozess gestaltet werden sollte.

William Henry (1774 bis 1836) war ein englischer Chemiker, der sich vorwiegend der Forschung im Bereich der Gase widmete. Noch heute ist er für die Formulierung des nach ihm benannten Henry’schen Gesetzes bekannt. Es ist Gegenstand einer Abhandlung, die er 1803 in einer Ausgabe der „Philosophical Transactions of the Royal Society“, einer britischen Fachzeitschrift für naturwissenschaftliche Themen, veröffentlichte. Dort hielt er folgende Beobachtung fest: „Wasser nimmt von Gas, das durch eine, zwei oder mehr Atmosphären kondensiert wird, eine Menge auf, die, normalerweise komprimiert, zweimal, dreimal etc. dem Volumen entspricht, das unter dem gemeinsamen Druck der Atmosphäre absorbiert wird.“ Vereinfacht ausgedrückt heißt das: Temperatur und Druck beeinflussen den Anteil des im Wasser gelösten Gases. Sinkt die Temperatur und erhöht sich der Druck, steigt der Anteil des im Wasser gebundenen Gases. Im Umkehrschluss bringen eine Temperaturerhöhung und eine Druckabsenkung die Freisetzung der im Wasser gelösten Gase mit sich. Ein beliebtes Beispiel für die Beobachtung des Henry’schen Gesetzes ist die tiefenabhängige Auflösung von Sauerstoff und Stickstoff im Blut von Tauchern, die sich während des Druckabfalls verändert und zur Dekompressionskrankheit führt. Doch auch bei Heizungs- und Kühlsystemen findet das Gesetz Anwendung, wenn es um das Befreien des Anlagenwassers von Gasen mittels Entlüftung bzw. Entgasung geht.

Gase lassen sich nicht vermeiden, aber entfernen

Jedes Gas hat eine andere Löslichkeit. Beim Anlagenwasser von Heizungs- und Kühlsystemen spricht man von Luft im weitesten Sinne: Diese besteht zu etwa 78 % aus Stickstoff, zu knapp 21 % aus Sauerstoff sowie aus kleinen Mengen Argon, Kohlenstoffdioxid und anderen Gasen in Spuren. In geschlossenen Systemen ist es insbesondere der Sauerstoff, der eine Gefahr birgt: Er geht verhältnismäßig schnell eine chemische Reaktion ein. An alten Stahlrohren oder anderen metallischen Bauteilen kann es so zu Korrosion kommen, infolgedessen treten Rost- oder Schlammbildung auf. Das Resultat ist eine geschmälerte Anlagenleistung. Zudem können Korrosionspartikel Komponenten wie die Pumpe beschädigen, was letztlich sogar zu einem Ausfall führen kann. Lufteinschlüsse lassen sich zwar nicht verhindern, selbst im Füllwasser der Anlage sind bereits gelöste Gase enthalten. Aber sie können entfernt werden.

Temperaturerhöhung versus Druckabsenkung

Generell gibt es nach dem Funktionsprinzip des Henry’schen Gesetzes zwei Möglichkeiten, Gase aus dem Anlagenwasser zu lösen: durch eine Temperaturerhöhung oder eine Druckabsenkung. Klassische Entlüfter wie Luftabscheider machen sich erstere zunutze. Sie werden bei Heizungsanlagen in den Vorlauf installiert, weil hier die Temperatur höher und dementsprechend die Löslichkeit der Gase geringer ist. Da die Temperatur für ein wirtschaftliches Arbeiten der Anlage und zur Schonung ihrer Komponenten nicht zu hoch sein darf, stellt das Herabsenken des Drucks eine wirksamere Methode zur Entfernung von Gasen dar. Hier gibt es zwei verschiedene Techniken: Die eine ist die Normalentgasung mit einer pumpengeregelten Druckhaltung. Dabei wird das Heizungswasser, das auf einem anlagenbedingten Überdruck gehalten wird, einem drucklosen Behälter zugeführt. Durch die Druckdifferenz lösen sich die im Wasser enthaltenen Gase, so dass eine relative Gasfreiheit herrscht. Bei Kühlanlagen ist die Normalentgasung jedoch nicht sehr effektiv, weil hier die Temperatur des Wassers zu niedrig ist.

Herausforderung Niedrigtemperaturnetzwerke

Angesichts der Energiewende sowie des vermehrten Einsatzes von Wärmepumpen kommen immer häufiger Heizungsanlagen mit niedrigen Primärtemperaturen zum Einsatz. Diese nehmen durch Lufteinschlüsse schneller Schaden, so dass es leichter zu Korrosion und der Bildung eines Biofilms kommen kann, wodurch schließlich die Rohre blockieren. Luftabscheider können in Niedrigtemperaturnetzwerken jedoch nicht effektiv angewandt werden, da eine Temperaturerhöhung negative Auswirkungen auf die Anlagengesamteffizienz hätte.

Für solche Systeme empfiehlt sich deswegen die Vakuumentgasung. Vakuumentgaser erzeugen ein Vakuum, indem die Pumpe mehr Wasser aus der Säule des Gerätes zieht als zulaufen kann. Im Vakuum wird das Gas freigesetzt und sammelt sich über dem Wasserspiegel. Durch Herunterfahren der Pumpe wird der Druck kurzzeitig erhöht, wodurch die freigesetzten Gase abgeschieden werden. Herkömmliche Vakuumentgaser sind vorwiegend für große Systeme ausgelegt, sie sind groß, kostenintensiv und arbeiten geräuschvoll. Für kleinere Systeme mit bis zu 500 l Systemvolumen wie Einfamilienhäuser oder kleine gewerbliche Gebäude hat Flamco, eine Marke von Aalberts hydronic flow control, den kompakten und geräuscharmen „VacuStream“ entwickelt. Mithilfe dieses Gerätes wird das Anlagenwasser nach einem festen Zyklus entgast und ein Vakuum mit dem zu entgasenden Anlagenwasser erzeugt. Die dabei freigesetzten Luftblasen steigen an die Oberfläche und werden, sobald der Kolben in seine Ausgangsposition zurückkehrt, am oberen Ende über den automatischen „Flexvent“ Schwimmerentlüfter abgeführt. Aufgrund seines großen Temperaturbereichs von -5 bis +65 °C eignet sich der „VacuStream“ sowohl für Heiz- als auch für Kühlsysteme. Dabei kann er ganz einfach neben der Wärmepumpe oder dem Verteiler für die Fußbodenheizung installiert werden.

Lange Lebensdauer

Bisher konnte in kleinen Systemen der durch Lufteinschlüsse und in der Folge Korrosion entstandene Biofilm nur durch einen Spülvorgang beseitigt werden – und das auch nur vorübergehend. Präventivmaßnahmen wie der Einsatz eines Vakuumentgasers wie der „VacuStream“ von Flamco stellen hier sicher, dass ein solcher Biofilm, der die Rohre verschließt und schlimmstenfalls zu einem Anlagenausfall führen kann, erst gar nicht entsteht. Das Ergebnis ist eine größtmögliche Gasfreiheit, welche sich lebensverlängernd sowohl auf das Gesamtsystem als auch seine einzelnen Komponenten auswirkt.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 06/2022

Energieeffiziente ­Anlagen als Ziel

Wann Entgasung wichtig wird

Keine Gase im System Geräte zur Entgasung von Anlagenwasser zählen zu den Komponenten, die bei großen Heiz- und Kühlanlagen bereits häufig einen stabilen Betrieb unterstützen. Die Vorteile...

mehr
Ausgabe 06/2023

FAQ zur Druckhaltung

Korrekter Anlagendruck in Heiz- und Kühlanlagen

Was sind die entscheidenden Aspekte und Argumente für eine Druckhaltung? Druckhaltesysteme erfüllen wichtige Funktionen: Sie halten den Druck an jeder Stelle des Anlagensystems in zulässigen...

mehr
Ausgabe 06/2017

Vakuumentgasung

Störungen vorbeugen

In Flüssigkeit führenden Systemen jeder Größe tritt Luft als Störfaktor auf, sowohl in Heizungen als auch Kühl- oder Prozessanlagen. Je sensibler der Bereich ist, umso wichtiger wird es, dem...

mehr
Ausgabe 03/2020

Medium Heizungswasser

Was passiert im laufenden Betrieb?

Der Startschuss Die Arbeitsschritte sind hinlänglich bekannt: Nach der Installation einer Heizungsanlage erfolgt die Erstbefüllung nach VDI 2035. In dieser Norm sind die Werte enthalten, die das...

mehr
Ausgabe 05/2015

Mehr als nur heiße Luft

Gasbildung im umlaufenden Wasser Störungen in HLK-Systemen vermeiden

Die größten Effizienzkiller in modernen Heiz- und Kühlsystemen für Gebäude finden sich im Wasser, mit dem die Energie von Wärmeerzeuger bzw. Kältemaschine via Heizkörper, Kühlkonvektor o.Ä....

mehr