Tätigkeiten an „alter“ Mineralwolle
Künstliche Mineralfasern und ihre Gefahren
In Zusammenhang mit energetischen Sanierungen, Dach- und Heizungserneuerungen sowie weiterer Tätigkeiten des Bauens im Bestand, fällt oft der Begriff KMF, die Abkürzung für Künstliche Mineralfasern. Aus unserem Alltag sind sie nicht wegzudenken, aber was macht sie so gefährlich? Und welche Lösungsansätze zum Umgang mit KMF gibt es? Der vorliegende Beitrag soll Licht ins Dunkel bringen.
Zwischensparrendämmung aus KMF im Dachgeschoss.
Quelle: F. Tiemann
Künstliche Mineralfasern, kurz KMF, können Isolierungen und Dämmungen im Bereich des Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutzes (WKSB) in Form von Glaswolle, Steinwolle oder keramische Wolle sein. Verarbeitet werden diese Mineralwollen als Matten auf Drahtgeflecht, mit Aluminiumkaschierung oder auf Vlies, als Platten, Filze, lose Schüttungen oder Spritzisolierungen. Als Glasfasern verwoben, kommen sie auch als Armierungsgewebe in Kunststoffen, Papier, Bitumenbahnen bis hin zu Licht- oder Datenkabel zum Einsatz. Keramische Fasern sind stark hitzebeständig und kommen daher oft im Zuge von feuerfester Auskleidung des Hochtemperaturbereiches bei Brennöfen, Kachelöfen, Dichtungen und Filter sowie als Katalysatoren-Isolierung zum Einsatz.
Die Gefahren von „alten“ KMF
Anwendung von Staubschutzwänden, hier das „PlanSystem“ von deconta.
Quelle: deconta
Zunächst muss man hier die KMF unterscheiden in „neue“ KMF und die gesundheitsgefährdenden „alten“ KMF. KMF, welche in Deutschland vor 1996 hergestellt wurden, sind biopersistent, das heißt die Fasern sind biobeständig und lösen sich nach dem Einatmen in der Lunge und der Lungenflüssigkeit nicht auf. Die kritische Fasergeometrie von lungengängigen Fasern ist laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert mit einer Länge > 5μm einem Durchmesser <3μm und das ganze bei gleichzeitigem Längen- Durchmesser-Verhältnis von > 3:1. Aufgrund der Faserstruktur der „alten“ KMF besitzen diese ähnlichen Eigenschaften wie Asbest und sind als krebserzeugend in Kategorie 1B oder 2 eingestuft. Die „neuen“ KMF sind in der Regel auf der Verpackung gekennzeichnet mit dem RAL-Gütezeichen für Erzeugnisse aus Mineralwolle.
Nach Technischer Regel für Gefahrstoffe Nr. 521 (kurz: TRGS 521) für die „Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten mit alter Mineralwolle“ werden die Tätigkeiten an „alter“ KMF in Expositionskategorien unterteilt. Bei diesen Expositionskategorien werden Expositionshöhe, Dauer der Tätigkeit und die Häufigkeit der Tätigkeit bewertet und in risikobezogene Maßnahmen je nach Art und Menge/Fläche der Tätigkeit zugeordnet.
Rasterdecke aus KMF-Platten mit KMF-Auflage.
Quelle: F. Tiemann
Das bedeutet, dass vor Aufnahme einer jeden Tätigkeit, gemäß Gefährdungsbeurteilung, das Faserfreisetzungspotential zu bewerten ist. Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Unternehmer zur Beurteilung der arbeitsbedingten Gefährdungen, sobald mindestens ein Mitarbeiter beschäftigt ist. Es sei hiermit darauf hingewiesen, dass die Gefährdungsbeurteilung ein wichtiges Instrument zur Minimierung von Arbeitsunfällen ist. Eine bewusste Verletzung dieser Arbeitgeberpflicht wird gemäß § Abs. 2 ArbSchG mit Bußgeld geahndet. Hochtemperatur-Mineralwollen bestehend aus Aluminiumsilikatwollen (ASW-Wolle), werden in der TRGS 558 behandelt. Zum Thema „neue“ und „alte“ KMF bietet die BG Bau mit der Handlungsanleitung „Umgang mit Mineralwolle-Dämmstoffen (Glaswolle, Steinwolle)“ eine Hilfestellung für die Praxis.
Vor 1996 eingebaute Mineralwolleprodukte zählt somit zu den „alten“ KMF, seit 2000 dürfen nur noch nicht-biopersistente Mineralwollen zum Einsatz kommen. Zwischen 1996 und 2000 besteht jedoch eine Übergangszeit, bei der sowohl „neue“ wie auch „alte“ KMF zum Einsatz gekommen sind. Leider sind die Mineralwolleprodukte selbst (im eingebauten Zustand) nicht gekennzeichnet, was bedeutet, dass ohne Einbauinformationen eine Beurteilung oder Abgrenzung von „neuer“ KMF und „alter“ KMF kaum möglich ist. Hier kann lediglich eine labortechnische Materialuntersuchung Aufschluss geben. Dabei ist zu beachten, dass der Kanzerogenitätsindex (kurz KI-Index), welcher in der TRGS 521 beschrieben wird, keine eindeutigen Ergebnisse über geringe und sehr gute Biolöslichkeit geben kann. Eine genaue Aussage kann lediglich eine Analytik der Biopersistenz geben. Alternativ sind Mineralwolleprodukte welche vor 2000 eingebaut wurden als „alte“ KMF einzustufen, entsprechend zu behandeln und zu entsorgen.
Die Schädlichkeit von Asbest ist mittlerweile hinreichend bekannt. Doch auch die Gefahren künstlicher Mineralfasern dürfen nicht unterschätzt werden.
Quelle: Clipdealer
Grundsätzlich ist das Arbeiten an „alter“ KMF für jeden Arbeitnehmer erlaubt. Die TRGS 521 Abs. 3.1. (8) weist darauf hin, dass das Verwendungsverbot nach Anhang IV Nr. 22 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) kein Verbot beinhaltet. Bereits vorhandene Dämmungen aus alter Mineralwolle müssen somit nicht zwingend entfernt werden.
Die Grundlagen für Schutzmaßnahmen nach TRGS 521 bieten drei Kategorien, sogenannte Expositionskategorien, welche auf dem Faserfreisetzungspotential während der auszuführenden Tätigkeiten basieren:
Expositionskategorie 1: Bis zu einer Faserfreisetzung von 50.000 F/m³ reichen hier allgemeine organisatorische Schutzmaßnahmen aus, wie sie auch zum Schutz gegen mineralische Stäube zu ergreifen sind. Eine Maskenpflicht herrscht nicht, das Tragen ist aber zu empfehlen, Schutzanzüge, Absperrungen des Arbeitsbereiches und Lüftungsmaßahmen sind nicht vorgesehen.
Expositionskategorie 2: Bei einer Faserfreisetzungen zwischen 50.000 F/m³ und 250.000 F/m³ wird eine Reinigung mit Staubsaugern der Kategorie M vorgeschrieben. Das Tragen von Masken wird empfohlen. Eine Abschottung des Bereiches als Schwarz-Weiß-Trennung wird nicht explizit gefordert, aber es soll der Arbeitsbereich abgesperrt werden. Zudem sind Waschmöglichkeiten auf der Baustelle vorzuhalten.
Expositionskategorie 3: Bei einem Faserfreisetzungspotential von mehr als 250.000 F/m³, wird eine persönliche Schutzausrüstung (PSA) in Form von Schutzanzügen und Masken sowie berufsgenossenschaftliche Vorsorgeuntersuchungen der Beschäftigten vorgeschrieben. Es ist naheliegend bei diesem Faserfreisetzungspotential eine Schwarz-Weiß-Trennung zum Arbeitsbereich aufzubauen, auch wenn dies nicht explizit beschrieben wird.
Um eine Kontamination von Räumen und Flächen außerhalb von KMF-Arbeitsbereichen zu verhindern, bietet es sich immer an, mittels Abschottungsmaßnahmen die KMF-Kontamination auf die notwendigen Arbeitsflächen zu begrenzen. Das spart Zeit für zusätzliche Reinigungsarbeiten nach Beendigung der Arbeiten und schützt andere Personen im Umkreis, die mit den Tätigkeiten nichts zu tun haben. Eine räumliche Trennung kann auf unterschiedliche Weisen erfolgen. Klassischerweise kommen hier Folienwände auf einer Konstruktion aus Holzlatten zum Einsatz. Eine schnelle und nachhaltige Alternativlösung bietet hierzu wiederverwertbare und leicht zu reinigende Aluminiumtragsysteme.
Anwendung einer Staubschutztür (Smart Door+) mit Rohrschleuse der Firma deconta. Zum Ausschleusen von Materialien ist ein Verlassen des Arbeitsbereiches nicht mehr nötig und somit eine Staubfreisetzung vermieden. Zusätzlich kann eine 1-Kammerschleuse an der Staubschutztür installiert werden.
Quelle: deconta
Werden ganze Räume abgeschottet, bieten sich Reißverschluss- oder Staubschutztüren an. Staubschutztüren bieten den Vorteil, dass an Ihnen üblicherweise eine technische Luftführung oder Luftreiniger in Form eines Unterdruckhaltegerätes (UHG) oder Entstaubers angeschlossen werden können, ohne dass diese im Arbeitsbereich (Schwarzbereich) aufgebaut werden. Sie werden somit nicht kontaminiert und müssen nach Arbeitsende nicht gereinigt werden.
Je nach verwendeter Staubschutztür sind auch weitere Anschlussmöglichkeiten gegeben, die zu einer deutlichen Reduzierung des nachfolgen Reinigungsaufwandes der zum Einsatz kommenden Gerätschaften führt. Erhöht sich wider Erwarten das Staub- und Faserfreisetzungspotential im Arbeitsbereich besteht bei dem System der Firma deconta die Möglichkeit eine Zusatzkammer vor die Staubschutztür zu installieren. Durch die damit installierte zweite selbstschließende Tür ist eine Staub- und Faserfreisetzung in Verbindung mit der technischen Lüftung bei korrekter Anwendung auszuschließen. Das kann außenstehende Dritte vor den gesundheitlichen Risiken während der Arbeiten an „alter“ KMF schützen, reduziert zusätzlichen Reinigungsaufwand und spart viel Zeit bzgl. Diskussionen und Nerven im Havariefall. Eine Steigerung von Kundenzufriedenheit wegen sauberer Arbeitsplätze ist ein positiver Nebeneffekt.
Persönliche und technische Schutzmaßnahmen
Erfahrungsgemäß sind persönliche und technische Schutzmaßnahmen unumgänglich. Handwerksunternehmen des Bauens im Bestand können bei der Anschaffung dieser Schutzmaßnahmen durch die BG-Bau bezuschusst werden. Die BG-Bau bietet dabei Fördermöglichkeiten zu zahlreichen staubmindernden Techniken wie etwa Abbruchhammer und andere Handgeräte mit Absaugung, Entstauber, Luftreiniger, Staubschutztüren und 1-Kammer-Schleusen.
Für einen umfangreichen Schutz kann hier unter anderem das „Schutzpaket für das Bauen im Bestand“ in Anspruch genommen werden. Hier gilt, dass pro Antrag 50 % der Anschaffungskosten, bis maximal 5.000 €, beitragsunabhängig gefördert werden.
Auch wenn die Abschottungsmaßnahmen nach TRGS 521 nicht zwingend erforderlich sind, muss klar sein, dass die bei den Arbeiten freigesetzten Mineralfasern zum Teil über Stunden in der Raumluft verbleiben, bevor Sie sich auf Oberflächen niederlegen. Ohne Schutzmaßnahmen können die Fasern so bis zu 5 m über die Luft getragen werden, andere Räume kontaminieren und unbeteiligte Personen gefährden. Die Schutzmaßnahmen gemäß der BG-Bau-Förderung können daher ein wirkungsvoller Schutz vor diversen Stäuben und Fasern sein.