Verbrauchserfassung aus der Ferne
Smart Metering und Automated Meter Reading
Die digitale Transformation vollzieht sich in verschiedensten Branchen. Auch die Verbrauchserfassung wird digitalisiert und neue Potenziale werden ausgeschöpft. Die Auswirkungen sind weitreichend: Messdienste, Immobilienverwalter und Mieter profitieren von einem ganz neuen System. Auch die Corona-Pandemie bewirkt ein Umdenken: Wie viel Kontakt ist derzeit notwendig? Und wie kann unnötiger Kontakt vermieden werden? Als regulatorische Treiber wirken das Messstellenbetriebsgesetz und die EU-Energieeffizienz-Richtlinie. Volker Eck, Geschäftsführer beim Erfurter Messgerätespezialisten Qundis zeigt mit zwei Praxisbeispielen, wie Smart Metering und Automated Meter Reading (AMR) funktionieren.
Mit dem Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) wurde 2016 Smart Metering für Strom und Gas geregelt. Die im §6 des MsbG beschriebenen Bündelangebote für weitere Sparten wie Wasser und Wärme ab 2021 bieten die Möglichkeit, das Submetering mit dem Smart Metering zu verbinden. Am 31. Januar 2020 erfolgte durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) die Markterklärung was den flächendeckenden Rollout von Smart Meter Gateways zur Folge hat.
Zusätzlich enthält die EU-Energieeffizienz-Richtlinie (EED) neue Anforderungen für die „Fernablesung“ und „Verbrauchsinformationen“. Sie fordert bereits ab dem 25.10.2020 den Einsatz von fernauslesbaren Messgeräten bei Neuausstattungen – bis zum 31.12.2026 müssen auch Bestandsanlagen umgerüstet werden (Art. 9c).
Ziel ist es, die Mieter durch zeitnahe Information ihrer Verbräuche beim Energiesparen zu unterstützen. Heute erhalten sie ihre Heizkostenabrechnung für die zurückliegende Heizperiode erst Monate nach Ende der Heizsaison. So haben Mieter aktuell keine Möglichkeit, ihr Heizverhalten anzupassen, den Verbrauch zu reduzieren und damit auch die Umwelt zu schonen. Energieeffizienz gilt aber als eine der tragenden Säulen der Energiewende. Dabei fällt der Verbrauch im Wärmebereich mit einem Anteil von mehr als 50 % am meisten ins Gewicht und bietet somit das größte Potenzial, Energie effizienter zu nutzen.
Mordernste Ablesetechnik
Zwei Projekte aus der Praxis zeigen, wie die Verbrauchserfassung aus der Ferne mittels Smart Metering und AMR-Technik von Qundis funktioniert. Der Messdienst Hecon nutzt für die Abrechnung eines Berliner Mehrfamilienhauses die cloudbasierte Verbrauchsdatenerfassung von Wasser und Wärme. Gesteuert wird die Ablesung und Wartung online über eine Smart Metering Plattform. Die Systemlösung, bestehend aus Funk-Zählern, Netzwerktechnik und Software, stellt vollautomatisch alle gewünschten Zählerdaten bereit – in verschiedenen Dateiformaten und zu den vom Messdienst gewählten Zeitpunkten. Die Ablesung von Verbräuchen ist somit ortsunabhängig möglich.
Im Objekt hat der Messdienst 69 Ultra-schall-Wärmezähler, 166 Unterputz-Wasserzähler, acht Netzwerkknoten und ein Gateway verbaut. Die Knoten erfassen die Verbrauchswerte der Messgeräte und verteilen sie innerhalb des Netzwerks. Die Fernauslesung, also die Datenübermittlung an den Messdienst, wird vom Gateway übernommen. Für die Installation haben wenige Monteure nur zwei Tage gebraucht: Der Rohbau stand zwar schon, aber weil alle Geräte mit Batterie betrieben werden, mussten keine Stromkabel nachträglich verlegt werden. Auch alle möglichen Funkstörquellen konnten durch die flexible Installation umgangen werden.
Hecon erhält nun zweimal monatlich die Werte aller Messgeräte per E-Mail. Ein Ausrücken zum Objekt, wie etwa bei einem walk-by System, ist nicht nötig. Dadurch spart sich der Messdienst den Aufwand für die jährliche Hauptablesung und eventuelle Zwischenablesungen – diese finden vom Büro aus statt. Die automatisierte Datenübertragung ermöglicht außerdem ein ständiges Monitoring der Messgeräte, womit beispielsweise Störungen oder Defekte sofort erkannt werden. Zudem erhält der Messdienst nicht nur die Stichtagswerte der Verbräuche, sondern auch alle zurückliegenden Werte.
Digitale Selbstabrechnung
Neben Messdiensten interessieren sich auch immer mehr große Wohnungsunternehmen für die Erfassung und Abrechnung von Verbräuchen. Mit der sogenannten Selbstabrechnung möchten die Firmen ihren Mietern einen weiteren Service bieten, dessen Umsetzung und Qualität sie auch in der eigenen Hand haben. Die Mülheimer Wohnungsbau eG (MWB) befindet sich im Umstellungsprozess. Seit Februar 2017 rüstet das Unternehmen seinen kompletten Wohnungsbestand (mehr als 5.000 Wohnungen in Mülheim an der Ruhr, Düsseldorf und Wuppertal) mit neuer Zählerfernauslesetechnik aus, implementierte eine professionelle Abrechnungs- und Managementsoftware und steigt somit in die Selbstabrechnung ein.
Dabei geht es um einen Digitalisierungsprozess, an dessen Ende die allumfassende Visualisierung von Verbräuchen sowie die energiesparende Steuerung der Energieerzeugung stehen. Das Ziel der MWB ist es, nicht nur auf die Selbstabrechnung umzustellen, sondern vielmehr auch den Mietern der Wohnungsbaugenossenschaft eine entsprechende Transparenz über die Energieverbräuche zum Zwecke der Energieeinsparung zu geben. Zudem soll der Abrechnungsprozess verschlankt und die Durchführung von Montagearbeiten beschleunigt werden.
Insgesamt installierte die MWB mehrere zehntausend Funk-Messgeräte − darunter Heizkostenverteiler, Wärmezähler, Warm- und Kaltwasserzähler − sowie die zur Fernauslesung notwendigen Systemkomponenten wie Netzwerkknoten und Gateways.
Sind die übermittelten Daten im MWB-Rechenzentrum angekommen, werden die gemessenen Verbräuche mit Hilfe einer Abrechnungssoftware automatisch zugeordnet und verarbeitet. Für alle Mieter lässt sich dann per Mausklick eine individuelle Abrechnung erstellen. Zusätzlich können Montagearbeiten zielgenau und ohne vorherige Besichtigung der Messstelle geplant werden, da auch der Gerätezustand übertragen wird. Somit hat die MWB jederzeit einen aktuellen Überblick über den Status aller Geräte ihrer Liegenschaften. Das spart Zeit, minimiert Prozesskosten und führt zu kürzeren Reaktionszeiten.
Bei all den neuen Möglichkeiten haben Datensicherheit und -schutz höchste Priorität. Alle Datenströme von AMR-Netzwerken und Smart Metering Plattformen sind verschlüsselt. Die Server der Cloud für die Systemlösung befinden sich in Frankfurt am Main und werden vom renommierten IT-Dienstleister IBM bereitgestellt. Es werden also höchste, deutsche Datensicherheitsanforderungen erfüllt. Die Verbrauchsdaten werden anonym erhoben und versendet – ohne direkten Personenbezug – was für den nötigen Datenschutz sorgt. Die Verknüpfung von Verbrauchs- und Personendaten wird erst bei der Abrechnung vorgenommen.