Ursachen und Chancen
Richtig verteilen lohnt sichÜber 85 % der Heizungsanlagen in Wohngebäuden sind nicht richtig hydraulisch abgeglichen. Diese dreiteilige Artikelserie beleuchtet zunächst die Ursachen dafür sowie die vielfältigen Umsatzchancen für aktive SHK-Fachbetriebe. In zwei Folgebeiträgen wird Schritt für Schritt dargestellt, wie und mit welchen Hilfsmitteln der Fachmann den hydraulischen Abgleich in bestehenden Ein- und Mehrfamilienhäusern praxisgerecht und effizient durchführen kann – auch in Gebäuden mit mehreren Verteilsträngen.
Der hydraulische Abgleich ist für den SHK-Fachhandwerker nichts Neues. Schon als Azubi lernt er, wie man eine Pumpenwarmwasserheizung bei der Inbetriebnahme fachgerecht einreguliert. Allerdings erforderte dies früher, als es noch keine voreinstellbaren Ventileinsätze gab, bei Neubauten einen gewissen Aufwand. Noch schlimmer war es bei Heizungsmodernisierungen, weil es viele unbekannte Faktoren gab und Rechenarbeit nötig war. Da der Kunde damals von einem hydraulischen Abgleich nichts wusste, beschränkten sich viele Handwerker aufs Handauflegen: Wurde der Heizkörper warm, war alles in Ordnung. Bei den hohen Systemtemperaturen von 90/70 °C oder 80/60 °C kam es später kaum zu Beschwerden.
Aufgeklärte Endkunden
Doch der Einsatz von Niedertemperaturheizsystemen in Verbindung z.B. mit Brennwertgeräten, Wärmepumpen und Solarthermieanlagen ist nur dann energieeffizient und kostensparend möglich, wenn die Anlagenhydraulik stimmt. Hinzu kommen weitere vermeidbare Mängel wie ungleichmäßige Versorgung der einzelnen Räume, Verlängerung der Wiederaufheizzeiten, Strömungsgeräusche und regelungstechnische Probleme. Anstatt die Ursache solcher Störungen anzugehen, wird an bestehenden Anlagen häufig versucht, die Symptome zu kurieren: z.B. durch Einbau einer größeren Pumpe oder Wahl einer höheren Drehzahlstufe, durch Erhöhung der Heizkurve oder durch Verkürzung von Absenkphasen. Diese Versuche scheitern aber regelmäßig, denn es handelt sich nicht um Temperatur- oder Pumpenleistungsprobleme, sondern um Verteilprobleme innerhalb des hydraulischen Systems. Verschärfend wirkt in bestehenden Gebäuden, dass sich u.U. aufgrund von energetischen Sanierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle der Raumwärmebedarf verringert hat. Letztlich sorgt nur ein fachgerecht durchgeführter hydraulischer Abgleich für nachhaltige Abhilfe.
Zwar sind lediglich 15 % der Hauseigentümer mit dem Begriff „hydraulischer Abgleich“ gut vertraut, wie das Modernisierungsbarometer der VdZ / TNS Emnid im Februar 2011 verdeutlichte. Doch SHK-Fachbetriebe, die die Zeichen der Zeit erkannt haben, gehen aktiv mit dem Thema um, weil sie wissen, dass die Endkunden immer sensibler und aufgeklärter werden. Durch Informationen der Verbraucherzentralen und der Dena sowie durch co2online mit der neuen Kampagne „Meine Heizung kann mehr“, die Bekanntheitsgrad und Nachfrage für den hydraulischen Abgleich erhöhen soll (www.meine-heizung.de).
Hinzu kommt, dass sich bei den aktuell hohen und steigenden Energiepreisen mehr Hausbesitzer gegenüber Optimierungsmaßnahmen aufgeschlossen zeigen werden. Zudem dürfte das KfW-Programm 430 („Energieeffizient Sanieren – Investitionszuschuss“) motivierend wirken, das seit dem 1. April 2012 u. a. die Optimierung der Wärmeverteilung bei bestehenden Heizungsanlagen fördert. Der Zuschuss zu diesem Maßnahmenpaket, wozu auch der hydraulische Abgleich gehört, beträgt 7,5 % der förderfähigen Kosten (bis zu 3730 € pro Wohneinheit).
Zusatz- & Folgeaufträge
Marktaktive SHK-Fachbetriebe stellen sich bereits jetzt auf diese Trends ein. Sie betrachten den hydraulischen Abgleich als Energie-Effizienzmaßnahme und als wichtiges unternehmerisches Kompetenzfeld. Diese SHK-Unternehmer lassen sich auch nicht vom einhergehenden Beratungs- und Umsetzungsaufwand abschrecken. Sie setzen auf weitere, interessante Akquise- und Auftragschancen, die sich nicht nur auf die Dienstleistung selbst sowie auf den Austausch von Heizkörperventilen und Umwälzpumpen beschränken. Ein höherwertiges Verkaufen ist bspw. möglich, da immer mehr Hausbesitzer großes Interesse an programmierbaren Thermostatventilen und an Einzelraumregelsystemen haben. Und sehr häufig sind in älteren Bestandsgebäuden die Heizkörper aus technischen und optischen Gesichtspunkten nicht mehr zeitgemäß. Außerdem dürfte der Fachmann in so manchem Heizungskeller auf einen Heizkessel stoßen, der nach 20 oder mehr Jahren zwar noch funktioniert, aber längst zu einer Energieschleuder geworden ist. Dann besteht die Chance, dass es dem SHK-Betrieb gelingt, die geringinvestive Maßnahme „hydraulischer Abgleich“ in einen umfangreichen Heizungsmodernisierungsauftrag umzuwandeln. Aber Achtung: Es reicht für einen Auftrag oft nicht aus, dass der Heizungsfachmann die Missstände erkennt und diese pauschal dem Kunden vermittelt. Er sollte anschaulich bewusst machen, welche Sparpotentiale sich für den Altanlagenbesitzer durch einen hydraulischen Abgleich und durch eine Heizungserneuerung, ggf. in Verbindung mit erneuerbaren Energien, erschließen lassen – (langfristige) Einsparungen in Form von Brennstoff, Geld und CO2 (Klimaschutz). Am besten mittels einer individuellen Wirtschaftlichkeitsberechnung mit nachvollziehbaren Zahlen und Charts, die auch die reellen Investitionskosten berücksichtigen. Denn laut aktuellen Untersuchungen schätzen Hausbesitzer die Kosten für eine Heizungsmodernisierung oft zu hoch ein und schieben sie daher auf.
Doch der Fachhandwerker sollte sich nicht nur auf die Einsparpotentiale stützen, sondern auch „weiche“ Faktoren ansprechen. Gerade der hydraulische Abgleich – meist in Verbindung mit einem Pumpentausch sowie mit modernen (programmierbaren) Regelventilen – können Anlagengeräusche und unangenehme Raumtemperaturschwankungen beseitigen und den Wärme- und Wohnkomfort der Bewohner steigern. Zudem beugt richtiges Heizen (und Lüften) auch der Schimmelpilzbildung vor und sorgt für ein gesundes Innenraumklima und für den Werterhalt des Hauses.
Zwischenfazit
Das SHK-Handwerk muss sich darauf einstellen, dass aufgeklärte Hausbesitzer insbesondere nach Modernisierungsarbeiten den hydraulischen Abgleich deutlich aktiver einfordern werden. Nicht zuletzt sind damit auch mögliche staatliche Förderungen und Zuschüsse von der KfW und vom BAFA verknüpft (siehe Online-Plus). Aktive Heizungsunternehmer bieten die energetischen Optimierungsmöglichkeiten offensiv an und nutzen sie als Türöffner zur Auftragsakquise sowie zur Profilierung bzw. Kompetenzerweiterung des Betriebs.
Im nächsten Beitrag unser Serie zeigen wir, wie man – auch mit einem vergleichsweise geringen Zeitaufwand – den hydraulischen Abgleich im Wohngebäudebestand durchführt.