Integrale Planung nach BIM

Rauch- und Brandschutz im „Grosspeter Tower“ Basel

Der „Grosspeter Tower“ im Herzen von Basel ist ein architektonisch wie energetisch überaus ambitioniertes Projekt. Wie eine Landmarke wurde der 24-Geschosser direkt neben dem Bahnhofsgelände in das wirtschaftliche Herz der Metropole gesetzt: Rund 6.000 m² Photovoltaikmodule als Fassade machen das Objekt unverwechselbar.

Durch die gemischte Nutzung auf 11.000 m² Büro- und Gewerbefläche – inklusive Hotel, Büros und mehreren Tiefgaragen-Ebenen – waren die Anforderungen an die Lüftungstechnik sowie an den Rauch- und Brandschutz komplex. Mit Systemair als zentralem Lieferanten für diesen Bereich der Technischen Gebäudeausrüstung konnten jedoch die entscheidenden Ausstattungsleistungen optimal aufeinander abgestimmt konzipiert und realisiert werden. Neben der zentralen Lüftung inklusive Abschottung der Brandschutzabschnitte durch Brandschutzklappen gehörten dazu die Belüftung und qualifizierte Entrauchung der Tiefgaragen-Ebenen sowie die Rauchschutzdruckanlagen zur Absicherung des obligatorischen Sicherheitstreppenhauses im Brandfall.

Nachhaltigkeit aus Überzeugung

Wie sieht die Zukunft urbanen und nachhaltigen Bauens in der Verantwortung um Mensch und Umwelt in verdichteten Großstädten aus? Die Frage wird angesichts der weltweiten Konzentration der Menschen in Ballungsräumen immer drängender gestellt – und der „Grosspeter Tower“ (www.grosspetertower.ch) in Basel ist fast schon exemplarisch für eine mögliche Antwort. Genutzt wurde für dieses Projekt eine bis auf den letzten Meter überplante ehemalige Industriebrache, die Verkehrsanbindung ist durch die Nähe zum Basler Bahnhof SBB sowie die Autobahnen A2 und A3 perfekt und die Energiebilanz dank PV-Fassade und Nutzung von Geothermie energetisch vorbildlich: Der komplette Grundstrombedarf des Gebäudes (285 MWh/a) wird über die Solarzellen an der Fassade abgedeckt. Zwei Wärmepumpen mit je 250 kW Leistung, die über 52 Erdsonden versorgt werden, reichen für die Beheizung des hoch gedämmten Objektes vollkommen aus, und überschüssige Wärme aus Klimatisierung (Kälteleistungsbedarf: 550 kW) wird im Sommer über die Erdsonden wieder bis in 250 m Tiefe ins Erdreich zurückgeführt, um es auf diese Weise thermisch zu regenerieren.

Erschwert wurde die TGA-Auslegung des Gebäudes über diesen ressourcenschonenden Rahmen hinaus durch die Vorgabe, die Bürogeschosse im Sinne potenzieller Mieter in variablem Ausbaustandard mit flexibler Grundrissdisposition anbieten zu können. Denn während zwar beispielsweise der generelle Energiebedarf für Heizen/Kühlen oder der Lüftungsbedarf auf den Etagen von Anfang an feststand, musste insbesondere die Rauchschutzdruckanlage für den Brandfall so konzipiert werden, dass sie unabhängig von der erst später erfolgenden Raumaufteilung auf den Etagen absolut zuverlässig funktioniert und für die Nutzer des Objektes in jedem Fall eine rauchfreie Fluchtmöglichkeit aus dem Gebäude gewährleistet ist.

Um dieses Schutzziel zu erreichen, hat die für die Gebäudetechnik verantwortliche Gruner Gruneko AG (Basel, www.gruner.ch) ein von dem TGA-Spezialisten Meier-Kopp AG (Reinach, www.meier-kopp.ch) und Hersteller Systemair (CH: Buchs/ D: Windischbuch-Boxberg) gemeinsam entwickeltes Entrauchungskonzept realisiert, das sich durch eine bemerkenswert umfassende Komplexität aus einer Hand auszeichnet.

Im Wesentlichen geht das Schutzkonzept dabei von einer klaren Trennung zwischen dem potenziellen Brandbereich Tiefgarage (mit vier Geschossen) und dem als Büroturm genutzten „Tower“ aus, hier speziell die Geschosse im Mieterausbau sowie das Sicherheitstreppenhaus inklusive Personenliften und Feuerwehrlift (als Schleusen).

Interventionsentrauchung für Tiefgarage

Um im Brandfall eine Evakuierung der mit einer Sprinkleranlage ausgestatteten Tiefgarage zu gewährleisten, wurden vier über Brandschutztore zu trennende Brand- bzw. Entrauchungsabschnitte gebildet, die maschinell mit einem 8-fachen Luftwechsel durch Betonschächte/Kanäle über Dach entraucht werden. Die Nachströmung erfolgt natürlich. Schutzziel ist hier eine sogenannte „Interventionsentrauchung“, um damit sowohl die sofortige Evakuierung der Nutzer als auch den zeitnahen Einsatz der Feuerwehr im zentralen Bereich der Einstellhalle zu ermöglichen.

Das Konzept der Maschinellen Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (MRWA) umfasst in der Tiefgarage sowohl die notwendigen Ventilatoren (Typ AXC 560 (F) bzw. 1250 (F)), Schalldämpfer und Entrauchungsklappen (Nachströmung und Abluft) wie auch die entsprechende Steuerung inklusive CO- und NO2-Fühler sowie die Warntransparente. Das „F“ der Ventilatoren steht in diesem Fall für den geprüften Funktionserhalt von 120 Minuten bei 400 °C nach EN 12101-3.

Abgestimmte Systemtechnologie für „Tower“

Die Brandschutz- bzw. Entrauchungskonzeption im „Tower“ definiert sich über eine Rauchschutzdruckanlage (RDA) für das Sicherheitstreppenhaus mit den zugehörigen Schleusen und dem Feuerwehrlift, eine aktive Abströmung sowie die beiden Personenlifte für die Nachströmung. Das Sicherheitstreppenhaus und die Schleusenbereiche werden dabei aktiv im Überdruck gehalten. Die benötigte Zuluft kommt hier über einen Zuluft-Schacht (Treppenhaus) sowie über den Feuerwehrlift und die beiden Personenlifte. Eine Druckkaskade verhindert die eventuelle „Rückverqualmung“ durch Rückströmung ins Treppenhaus. Die Abströmung selbst erfolgt über Entrauchungsklappen im Nutzerbereich und wird mit einem Ventilator über Dach aktiv unterstützt.

Eine besondere Herausforderung war bei der Auslegung dieser RDA neben der eigentlichen Gebäudehöhe mit fast zwei Dutzend Geschossen die Vielzahl der Einflussgrößen, die im Brandfall auf die errechnete Ab- und Durchströmung der Schutzbereiche einwirken. Dazu gehören unter anderem die aufaddierten Leckagen der Gebäudehülle, Undichtheiten der Lifttüren mit direkter Wechselwirkung zu den jeweiligen Schächten, die im Brandfall im Erdgeschoss durchweg geöffneten Türen und nicht zuletzt die Druckverhältnisse zwischen Nutzerflächen und Sicherheitstreppenhaus, um im Ernstfall auch das ordnungsgemäße Öffnen oder Schließen der Türen sicherzustellen.

Reiner Kelch, Systemair System- und Applikationsmanager für RDA: „Die Vielzahl an Einflussgrößen und ihre Wechselwirkungen lässt sich auch integral kaum belastbar berechnen. In aller Regel werden stattdessen durch Sicherheitszuschläge Größenordnungen erreicht, die technisch oder wirtschaftlich nicht mehr umsetzbar sind. Umso wichtiger sind die Praxiserfahrungen eines breit aufgestellten Herstellers wie Systemair (www.systemair.de). Dieser kann sämtliche Funktionalitäten der Be- und Entlüftung inklusive RDA und übergreifender Steuerung aus einer Hand abdecken und so zu Lösungen kommen, die wie hier im ‚Grosspeter Tower‘ die technische Machbarkeit mit den Vorstellungen des Bauherrn oder Investors und den geforderten Schutzzielen in Einklang bringen.“

Typisch dafür ist, nicht zuletzt, das Basement des „Tower“, wo im Brandfall die Evakuierung der Nutzer durch den großzügigen, weit öffnenden Haupteingang „Büro“ erfolgt. Gleichzeitig muss aber der direkt angrenzende Schleusenbereich trotz des zu erwartenden Winddrucks durch die dann dauerhaft offene Fassade vor Verrauchung geschützt werden. Um das zu erreichen, hat Systemair beispielsweise direkt über der Verbindungstür zusätzlich einen speziellen Luftschleier installiert, der 10 Pascal Differenzdruck aufrechterhält und dadurch die Leckrate signifikant reduziert. Reiner Kelch: „Das ist deutlich wirtschaftlicher als der Einbau größerer Zuluft-Ventilatoren, die aufgrund ihrer hohen Leistung möglicherweise auch noch gezielt mit einer eigenen Notstromversorgung abgesichert werden müssen.“

Enge Kooperation als Qualitätsmerkmal

Für Fachplaner Frank Ullmann (Gruner Gruneko AG) wie Baumanager Gernot Krenn (Dietziker Partner Baumanagement AG, Basel, www.dietziker-bm.ch) hatte die enge Kooperation mit Systemair und dem ausführenden Fachhandwerksunternehmen Meier-Kopp AG aber nicht nur eine fachlich-technische Dimension.

„Natürlich ist es von Vorteil, wenn ein Hersteller neben seiner Expertise auch das umfassende, gewissermaßen im System integrierte Produktportfolio mitbringt und die Installation und Inbetriebnahme über das Fachunternehmen vor Ort mit begleitet“, sagt Frank Ullmann: „Denn wir als Gebäudetechnikplaner sind letztlich die Generalisten, die das Gesamtprojekt technisch im Blick haben und uns bei den spezifischen TGA-Lösungen auf die jeweiligen Fachanbieter verlassen müssen. Gerade bei einem nach BIM-geplanten Projekt wie diesem ist das aber wiederum nur möglich, wenn unsere Partner gleichzeitig unseren ganzheitlichen Planungsansatz verstehen und ihre Leistung dann in das Gesamtprojekt mit seinen übergeordneten Zielen wie Ökologie, Qualität, Nachhaltigkeit oder natürlich auch Wirtschaftlichkeit über die gesamte Betriebsphase hinweg einschichten können. Und genau dafür war diese Zusammenarbeit fast schon mustergültig.“

Baumanager Gernot Krenn wiederum sieht die Vorteile einer solchen Komplettleistung aus einer Hand nicht zuletzt unter logistischen Aspekten: „Gerade bei einer räumlich so limitierten Baustelle wie dem ‚Grosspeter Tower‘ ist die Professionalität unserer Partner und deren Potenzial, sich absolut präzise auf die Abläufe und Fortschritte des Projektes einzustellen und beispielsweise über definierte Komplettlieferungen just in time den Baufortschritt mit zu unterstützen, eine ganz maßgebliche Größe. Wenn dies dann gleichzeitig noch mit der fachlichen Bündelung von später ohnehin zwingend ineinandergreifenden TGA-Losen in Deckung geht – dann ist das umso besser.“

Planung nach BIM

Der „Grosspeter Tower“ wurde als eines der ersten Gebäude dieser Art von der Gruner Gruneko AG integral nach der Building Information Modeling-Methode (BIM) geplant. Dipl.-Ing. Frank Ullmann: „Die Komplexität des Projektes und der hohe Anspruch an die energetische und funktionale Qualität gab diese Planungsmethodik gewissermaßen vor – und der Bauherr hat es trotz des gerade im Vorfeld doch aufgrund des hohen Detaillierungsgrades sehr aufwändigen, iterativen Prozesses in jeder Hinsicht mitgetragen!“

Ein Vorteil: Das Arbeiten am digitalen Modell ermöglichte absolut präzise Simulationen beispielsweise des Energieeintrags aus PV und Geothermie auf der einen und dem Abgleich mit den nutzungsabhängigen Verbräuchen auf der anderen Seite. Ein anderer: Nur so war frühzeitig eine belastbare Schlitz- und Durchbruchsplanung für die gesamte TGA-Ausstattung, beispielsweise eben auch die RDA-Technik, möglich, die dann wiederum zu einer Optimierung der Flächen und Massen genutzt werden konnte. In der Nutzung können die – konsequent nachgeführten – Daten jetzt außerdem zur wirtschaftlichen Optimierung der Betriebskosten und zur Einhaltung notwendiger Wartungsaufgaben genutzt werden.

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