Neue Normen und Regelwerke

Gebäudetechnik für Trinkwasser

Viega-Fachsymposien

In den vergangenen Monaten sind eine Vielzahl von neuen Normen und Regelwerken für die Trinkwasser-Installation erschienen. Im November 2011 gab die geänderte Trinkwasserverordnung (TrinkwV) entscheidende Impulse rund um den Erhalt der Trinkwassergüte, wie die verpflichtende Überprüfung auf Legionellen in gewerblich genutzten Anlagen. Nur wenige Wochen später wurde der letzte Teil der neuen europäischen Normenreihe EN 806 veröffentlicht. Und seit Mai 2012 liegen auch die beiden Ergänzungsnormen DIN 1988-200 und -300 im Weißdruck vor. Damit gehört die bisher bekannte DIN 1988 der Vergangenheit an.


Entsprechend hoch ist aktuell das Interesse der Fachleute, insbesondere der Fachplaner, denn diese müssen als erste die neuen Regelwerke umsetzen. Eine zeitliche Punktlandung legte in diesem Zusammenhang die Firma Viega (www.viega.de) hin, die pünktlich zum Termin des Weißdrucks der DIN 1988-200 und -300 eine bundesweite Veranstaltungsreihe unter dem Namen „SYMPH2OSIUM“ an den Start brachte, die noch bis Ende September 2012 fortgeführt wird. Über 4000 Fachplaner können bzw. konnten sich schon über die Bedeutung der neuen Normen und Regelwerke für ihre Berufspraxis rund um das Thema „Gebäudetechnik für Trinkwasser“ informieren.

Jeder Fachmann sollte ab sofort die neuen Richtlinien, basierend auf der geänderten Trinkwasserverordnung und der europäischen Normenreihe EN 806 in Verbindung mit den nationalen Ergänzungsnormen DIN 1988, kennen. Denn die „gute alte DIN 1988“ hat − nach fast 24 Jahren − ihre Gültigkeit verloren. Es gibt also eine Fülle von neuen Informationen, Rahmenbedingungen und Anforderungen, die aber alle im Wesentlichen ein gemeinsames Ziel haben: den Erhalt der Trinkwassergüte bis zur letzten Entnahmestelle.

 

Theorie und Praxis eng verwoben

Dass „Gebäudetechnik für Trinkwasser“ viel mehr ist als nur einige neu gefasste Paragrafen, wurde schon beim Auftaktvortrag von Professor Dr. Thomas Kistemann (Bonn) deutlich. Als Hygieniker führte er seine Zuhörer tief in die Welt der Mikroorganismen ein, bevor er die Konsequenzen für die Praxis auf Basis der Anforderungen der TrinkwV erläuterte. Weit verzweigte Installationsnetze, Probleme mit Stagna­tionen, unsauberes Arbeiten auf der Baustelle, aber auch demografische Entwicklungen wie die Zunahme von Risikogruppen sind aus seiner Sicht die Hauptgründe für die hohe Anzahl an Prob­le­men durch verkeimte Trinkwasserinstallationssysteme. Dr. Kistemann schätzt die Zahl der jährlichen Legionellenerkrankungen in Deutschland auf etwa 30 000 Fälle – die Hälfte davon im privaten Umfeld. Laut Kistemann sind für den Erhalt der Trinkwassergüte die Wechselwirkungen von Temperatur, Wasseraustausch und Durchströmung entscheidend. Seine Botschaft: „Die Endpunktkontrolle reicht zum Erhalt der Trinkwassergüte nicht aus. Was wir brauchen, ist eine systemische Betrachtung der Trinkwasser-Installation.“ Deswegen fordert der Hygienespezialist unter Berücksichtigung der gegebenen Betriebsbedingungen eine Bewertung des gesamten Fließweges bis zur letzten Entnahmestelle – analog zur VDI 6023. Um dies realisieren zu können, sei vor allem eine enge Kooperation aller am Bau Beteiligten in der Planungsphase erforderlich – vor allem die Betreiber müssten frühzeitig in die Pflicht genommen werden.

 

Klar strukturiert vorgehen

Dass dieser Ansatz tatsächlich in jedem Objekt unabhängig von Nutzung und Größe umsetzbar ist, machte als aktiver Fachingenieur Dipl.-Ing. Michael Lübbert (Hannover) deutlich. Seit Jahren befasst er sich mit der Auslegung von Trinkwasser-Installationen in hygienekritischen Gebäuden, wie Krankenhäusern oder Altenheimen. Aus dieser Erfahrung heraus rät Lübbert bei der Planung von Trinkwasser-Installationen zu einer klar strukturierten Vorgehensweise: Um die Vorgaben der Normen und Regelwerke konkret mit Leben zu füllen, empfiehlt er beispielsweise die Erstellung eines Raumbuches, wie es auch mit der neuen DIN 1988-200 zum Teil Pflicht wird. Dann stehen nämlich tatsächliche Bedarfswerte für die Planung „schwarz auf weiß“ fest – und dementsprechend kann eine hygienebewusste Rohrleitungsführung und Systemauslegung erfolgen. Er rief dazu auf, sich intensiver mit „neuen” Planungs- und Installationsmethoden auseinanderzusetzen – hierzu gehört z.B. der Einsatz von Ringleitungen in Bereichen, in denen eine unregelmäßige Nutzung zu erwarten ist, das Dämmen von Kaltwasserleitungen bzw. die räumliche Trennung von Warm- und Kaltwasserleitungen, die Verwendung von Einpressdüsen, um einen regelmäßigen Durchfluss zu gewährleisten, aber auch das Rechnen mit herstellerspezifischen Werten.

Neues Geschäftsfeld für
TGA-Ingenieure

Aufgegriffen wurde dieser Gedanke auch durch Dipl.-Ing. Wolfgang Hentschel (Frankfurt), der als ehemaliger Sachgebietsleiter am Amt für Gesundheit in der Main-Metropole hunderte von kontaminierten Trinkwasser-Installationen untersucht und Konzepte für deren Sanierung entwickelt hat. Dabei stellte Hentschel immer wieder fest, dass viele der aufwendigen Sanierungen nachhaltiger wären, wenn anschließend auch die Nutzungsgewohnheiten optimiert würden. Stattdessen komme es aber oftmals durch einen nicht bestimmungsgemäßen Betrieb über kurz oder lang wieder zu einer Kontamination. Ein auf einer Datenbank basierender „Water Safety Plan“, so die Forderung des Praktikers, „ist also gerade bei komplexen Trinkwasser-Installationen fast zwingend erforderlich.“ Werde der dann auch noch kontinuierlich weiterentwickelt und dokumentiert, sei eine erfolgreiche Anlagensanierung nach DVGW-Arbeitsblatt W 551 sichergestellt.

Durch die neuen Regelungen komme eine Flut an Kontrollen auf gewerbliche Anbieter von Wohnungen und Gebäuden zu. Werden dabei Grenzwerte z.B. für Legionellen überschritten, müssen Schritte eingeleitet werden, um diese zu bekämpfen und um die Ursachen zu ermitteln. Und wer soll das machen? Hier tue sich ein riesiges Geschäftsfeld für TGA-Ingenieure auf.

 

Geeignete Berechnungsverfahren

Wie entscheidend in Trinkwasser-Installationen für den Erhalt der Wassergüte bis zur letzten Entnahmestelle die bedarfsgerechte (sprich: minimale) Dimensionierung ist, bestätigte in diesem Zusammenhang Prof. Klaus Rudat (Berlin): „Wer eine hygienebewusste Rohrleitungsführung wählt und die Auslegung gemäß DIN 1988-300 vornimmt, konzipiert automatisch Anlagen, die auch bestimmungsgemäß betrieben werden können!“ Selbst spezielle Teilbereiche, wie ausgedehnte Zirkulationssysteme oder Ringleitungssysteme in der Stockwerksverteilung, seien davon nicht ausgenommen. „Auch dazu gibt es in den neuen Regelwerken geeignete Verfahren, an denen man sich orientieren sollte“, so Rudat. Die neue EN 806-3 solle man in Deutschland aber am besten nicht verwenden, sondern nur auf die nationale Ergänzungsnorm DIN 1988-300 setzen. Anhand von Berechnungsbeispielen zeigte er außerdem Lösungswege für kombinierte Anlagen mit Druckerhöhung und Feuerlöschleitungen auf und machte auch dafür die entscheidenden Planungskriterien für den Erhalt der Trinkwassergüte transparent.

 

Abgestimmt: Software und Systeme

Wie das planerisch und installationstechnisch durch die passende Software sowie entsprechende Installationssysteme umzusetzen ist – auch darauf gab die Veranstaltungsreihe von Viega eine Antwort. Schließlich tritt der Systemanbieter schon seit langem für die möglichst „schlanke“ Auslegung von Trinkwasser-Installationen ein. „Die Anwendung einer auf den Erhalt der Trinkwassergüte ausgerichteten Planungssoftware ist dafür eine entscheidende Voraussetzung“, so Schulungsleiter Dieter Hellekes. Mit dem Einsatz durchflussoptimierter Rohrleitungssysteme sowie gegebenenfalls dezentraler Spültechnik, die den geforderten Wasseraustausch auf jeden Fall sicherstellt, kann sich der Endkunde auf die gewünschte Trinkwassergüte auch an der letzten Entnahmestelle verlassen.

 

Umfassende Kommunikation
notwendig

Abgerundet wurde das fundierte Informationsspektrum des Viega-Fachsymposiums letztlich aber durch einen Juristen, Dr. Daniel Häußermann (Heidelberg). Sein Ansatz, entlang der planerischen Leistungskette gemäß den HOAI-Phasen entscheidende Fallstricke für die Fachplanung zu benennen, war das eine. Daraus ableitend aber sofort erfolgreiche Lösungswege aufzuzeigen – damit konnte er die Zuhörer für sich einnehmen, statt sie nur mit „Angst-Szenarien“ wieder in ihre tägliche Arbeit zu entlassen. So verwies der Jurist beispielsweise darauf, wie wichtig auf dem Bau mittlerweile „über das Fachwissen hinaus die umfassende Kommunikation in alle Richtungen“ geworden ist. Das betrifft die Nahtstelle zu anderen Gewerken genauso wie die Aufklärung des Bauherrn, damit der überhaupt erst einmal erfährt, welche Verantwortung ihm selbst bei dem Erhalt der Trinkwassergüte in seiner Installation zukommt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der alte Spruch „Wer schreibt, der bleibt”. Eine sorgfältige, zeitnahe Dokumentation reduziere das Haftungsrisiko.

 

Fazit

Durch die zahlreichen Normen-Änderungen und Regelwerks-Ergänzungen der vergangenen Monate sind die Fachplaner mehr denn je in der Pflicht, schon bei der Auslegung der Trinkwasser-Installationen dem hohen Schutzziel Trinkwassergüte Rechnung zu tragen – und diese möglichst über die gesamte Realisierungskette, von der Planung und Installation über die Inbetriebnahme bis hin zum bestimmungsgemäßen Betrieb, abzusichern. Dass das möglich ist, wird in den aktuellen Viega-Fachsymposien deutlich.

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