Frische Luft für alte Lok-Remise
Raumlufttechnische Anlagen für Wagenhallen in Stuttgart
Mit der Sanierung der Wagenhallen im Nordbahnhofviertel konnte ein wichtiges Kulturgut der Stadt Stuttgart bewahrt werden. Insbesondere bei der Integration moderner Gebäudetechnik, ohne die eine zukunftsfähige Nutzung nicht möglich gewesen wäre, war viel Fingerspitzengefühl gefragt. Für die Umsetzung der raumlufttechnischen Anlagentechnik inklusive Gebäudeleittechnik zeichnete die Kiefer GmbH Luft- und Klimatechnik verantwortlich. Die Herausforderungen lagen dabei insbesondere in der Umsetzung zeitgemäßer Schall- und Brandschutzmaßnahmen.
Die alten Wagenhallen auf dem ehemaligen Bahngelände erfreuen sich in Stuttgart großer Beliebtheit – hatte sich das Areal seit einer „friedlichen Übernahme“ im Jahr 2003 durch Kulturschaffende und Kreative doch in eine angesagte Off-Location gewandelt. Zuvor nutzte die Deutsche Bahn die große Halle für Reparatur- und Wartungsarbeiten. 2015 beschloss die Stadt Stuttgart eine umfassende Sanierung, da Gebäudestatik, Schall- und Brandschutzvorrichtungen nicht mehr den Vorschriften entsprachen und die Gebäudenutzung mit Kulturbetrieb gefährdet war. 2016 segnete der Gemeinderat die Baukosten in Höhe von 30 Mio. € ab, im Januar 2017 gab Oberbürgermeister Fritz Kuhn den Startschuss für die Bauarbeiten.
Heute umfasst das Raumprogramm der Stuttgarter Wagenhallen eine 4.050 m² große Veranstaltungshalle mit 2.100 Stehplätzen, einen 9.500 m² großen Atelier- und Werkstattbereich sowie die Tanzschule „Tango Ocho“ auf insgesamt 450 m².
Achtsamer Umgang mit dem Bestand
In ihrer rund 120-jährigen Geschichte unterlagen die Wagenhallen einem stetigen strukturellen Wandel, bedingt durch Kriegsschäden, pragmatische Umbauten usw. Diese Spuren der Zeit nicht zu übertünchen, sondern sie bewusst sichtbar zu belassen, war grundlegender Gestaltungsansatz des Stuttgarter Architekturbüros Atelier Brückner. So „schälten“ sie die Originalstruktur der ursprünglichen Lok-Remise achtsam aus dem Bestand heraus. Die lebendige Patina behielt das alte Industriegebäude durch ausschließlich konservatorisch behandelte und nicht übertünchte oder gar totsanierte Fassaden und Wände. Alle notwendigen neuen Einbauten und baulichen Ergänzungen wurden farblich reduziert ausgeführt und treten so gegenüber dem historischen Stahltragwerk und dem hellen Backstein der Außenmauern optisch in den Hintergrund.
Schall- und Brandschutz im Fokus
Zwölf raumlufttechnische Anlagen, von Kiefer Anlagenbau (www.kieferklima.de) konstruiert und montiert, sorgen heute für ein angenehmes Frischeklima. Vier Anlagen versorgen die Komfortbereiche, acht weitere Anlagen sind für die Nebenräume installiert. Zu den Komfortbereichen zählen die große Veranstaltungshalle, das Foyer, Multifunktionsräume sowie die Tanzschule. Für die Auslegung der RLT-Anlage spielten die Faktoren Akustik, Temperatur und Raumluftgeschwindigkeiten eine entscheidende Rolle. Dabei galt es, alle architektonischen Besonderheiten der alten Lok-Remise wie hohe Decken, große Räume und die historische Bausubstanz mit den Anforderungen einer modernen Be- und Entlüftungsanlage sowie dem Schall- und Brandschutz in Einklang zu bringen. Eine der Herausforderungen für die Anlagenbauer von Kiefer, die es bei der Ausführung vor Ort zu beachten galt, waren die hohen Anforderungen an den Schallschutz. Diese konnten durch eine gewissenhafte Entkopplung der Schwingungen sowie einer projektspezifischen Reduzierung des Luftschalls erzielt werden.
Als geeignete Brandschutzschutzmaßnahmen erwiesen sich Brandschutzklappen mit Federrücklaufmotor, die im Bedarfsfall die einzelnen Brandabschnitte voneinander trennen und eine Übertragung des Brandrauchs sicher verhindern.
Luftleitungen in Sichtmontage
Für die Be- und Entlüftung der Veranstaltungsräume und des Foyers fiel die Wahl auf ein kombiniertes Lüftungsgerät mit hocheffizientem Kreislaufverbundsystem. Zwei Wärmetauscher sind über ein Rohrnetz miteinander verbunden. Im Register wird die in der Abluft enthaltene Wärmeenergie vom durchströmenden Wasser aufgenommen und durch die in der Zuluft eingebauten Lufterhitzer an die kühlere Außenluft übertragen.
Die RLT-Anlagen der Komfortbereiche befinden sich in zwei Technikzentralen, die in zweigeschossigen Kuben im Bereich der Künstler-Ateliers untergebracht sind. Von dort aus wird die Luft direkt in die jeweiligen Bereiche verteilt. In den Räumlichkeiten selbst werden die Luftmengen der einzelnen Stränge auf die entsprechenden Sollwerte abgeglichen. Alle Kanal- und Rohrnetzführungen der raumlufttechnischen Anlagen sind dabei sichtbar montiert – sie sollten keinesfalls hinter Zwischendecken unsichtbar werden, sondern als technische Neuerungen den Bestand ergänzen.
Fazit
Ein altes Gemäuer technisch auf den neuesten Stand zu bringen, stellt Architekten und Fachplaner vor große Herausforderungen – insbesondere wenn strenge Schall- und Brandschutzvorschriften sowie Energieeinsparverordnungen umgesetzt werden müssen.
Obwohl die Lok-Remise in Stuttgart ursprünglich als Kalthalle errichtet worden war, gelang es den Architekten die Anforderungen der EnEV 2013 zu erfüllen – unter anderem durch einen Bauteilnachweis im Bestand. Nur bei den Oberlichtern mussten sie auf vollständige Neuentwicklung zurückgreifen. Denn ohne sie hätten die hohen Brandschutzvorschriften nicht eingehalten werden können. Aber auch in Sachen Statik, Wärmeschutz, Wärmeeintrag, Schallschutz und Verdunklungsmöglichkeiten waren die neuen Oberlichter alternativlos.
Für die gelungene Integration der lüftungstechnischen Anlagen zeichnen sich die Anlagenbauer von Kiefer GmbH Luft- und Klimatechnik verantwortlich: Ihnen gelang es, unter Einbehaltung aller schall- und brandschutztechnischen Vorgaben die notwendige Anlagentechnik auf das neue Raumkonzept anzupassen. Dafür wurden alle Kanäle, Luftauslässe, Wickelfalzrohre und Volumenstromregler in Sichtmontage unterhalb der abgehängten Decke verlegt.