Fachkräfte & Qualifizierung
Wenn der Azubi zum Vorstand wird
Ein hoch dotiertes Forschungs- und Entwicklungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hat seine Wurzeln in Alsdorf. Vor 20 Jahren hat Handwerksunternehmer Steffen gemeinsam mit dem ITB (Institut Technik und Bildung) der Universität Bremen das Projekt LIKA – Lernen im Kundenauftrag ins Leben gerufen. Heute hat LIKA 4.0 beste Chancen, zum innovativen Standard für die Ausbildung im Handwerk zu werden.
Wie kann eine bessere Ausbildung im Handwerk gelingen? Diese Frage stellte sich Rolf Steffen, Gründer der damaligen Gebr. Steffen GmbH (heute Team Steffen AG) aus Alsdorf bereits vor 20 Jahren – und legte damit den Grundstein für ein Innovationsvorhaben, das heute in seine vierte Entwicklungsstufe geht. Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung gab am 30. Mai 2018 den Startschuss für das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts „Digital gestütztes, kooperatives Lernen im Kundenauftrag - LIKA 4.0“.
Die Qualität der Ausbildung ist der Schlüssel zu Vielem – und das nicht nur im Handwerk. Sie entscheidet darüber, ob ein Unternehmen Nachwuchsmangel beklagen muss oder regelmäßig Bewerbungen qualifizierter und motivierter junger Menschen erhält. Sie entscheidet darüber, ob Auszubildende – und spätere Gesellen – über fundiertes Wissen verfügen. Sie entscheidet darüber, ob die Digitalisierung zum Erfolgsfaktor wird. Sie bietet die Chance, wie im Team Steffen gelebt, Generationswechsel und/oder Geschäftsübergaben reibungslos zu gestalten. Die Qualität der Ausbildung kann letztlich als ein entscheidender Faktor zum Fortbestand eines Unternehmens beitragen.
Verantwortung von Anfang an
Anders als in vielen konventionellen Ausbildungsbetrieben, wo Auszubildende in thematisch abgegrenzte Bereiche eingearbeitet werden, erhalten die Nachwuchskräfte der Ausbildungsinitiative LIKA (https://steffen.de/unternehmen/karriere/lika) von Beginn an Verantwortung und werden in alle ein Kundenprojekt betreffende Abläufe des Unternehmens einbezogen – von der Planung bis zur Durchführung. Aus den ersten Überlegungen des jungen Unternehmers aus Alsdorf ist ein Erfolgsmodell geworden. Unter dem Namen LIKA – Lernen im Kunden-Auftrag bekommen Auszubildende die Möglichkeit, Kundenaufträge eigenverantwortlich und selbstständig auszuführen. Der Gedanke mag auf den ersten Blick wirklichkeitsfremd erscheinen. Doch führen wir uns vor Augen: Auszubildende sind die Kundendiensttechniker, die Projektleiter, ja manchmal sogar die Chefs von morgen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Auftragsbearbeitung ist die Kenntnis der typischen Arbeits- und Geschäftsprozesse im Handwerk in Theorie und Praxis – und zwar der vollständigen Prozesse von der Auftragsannahme über die Auftragsplanung und Auftragsdurchführung bis zum Auftragsabschluss. Damit Junioren im Handwerk ihre Kunden kompetent bedienen und durch besonderen Service überzeugen können, gehört zu einer guten Ausbildung neben fundierter Fachkompetenz auch ausgeprägte Kundenorientierung – und eben auch das Verständnis ganzheitlicher Zusammenhänge.
So bietet eine ganzheitliche, von Beginn an mit hoher Eigenverantwortung ausgestattete Ausbildung vielfältigen Nutzen: Der Auszubildende, der von Beginn an Verantwortung trägt und damit Vertrauen erhält, identifiziert sich mit seinem Unternehmen und engagiert sich für seine Kunden. Das Unternehmen gewinnt bereits frühzeitig einen vollwertigen Mitarbeiter mit hoher Produktivität. Kunden erhalten eine fachlich kompetente Leistung durch motivierte und engagierte Mitarbeiter. Die Auszubildenden erhalten von Beginn an die Verantwortung für eigenes Werkzeug und ein eigenes komplett ausgestattetes Servicefahrzeug, das mit dem LIKA-Logo deutlich macht: Hier arbeiten Auszubildende mit Qualitätsgewährleistung des Chefs.
Ausbildung in der Praxis
So begann am 1. August 2001 auch die Ausbildung von Benjamin Quauke. Er kannte das Alsdorfer Handwerksunternehmen und seinen Ruf als kunden- und qualitätsorientierter Anbieter klassischer Handwerksarbeiten rund um Heizung, Bad und Klima. Mit seiner Bewerbung verbunden hatte Benjamin Quauke die Hoffnung auf eine solide klassische Ausbildung.
Er war einer der Ersten, der das in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) entwickelte Ausbildungskonzept LIKA durchlaufen hat. Dass er gut zwölf Jahre später im Mai 2014 alleiniger Vorstand des Unternehmens sein würde, hat er zu diesem Zeitpunkt nicht geahnt. „Die LIKA-Ausbildung hat mir fundiertes Wissen und einen tiefen Einblick in die Zusammenhänge gewährt. Daraus ist für mich – und das bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt – eine Begeisterung für die Chancen und Potentiale eines modernen Handwerksbetriebs und eine enge Identifikation mit dem Unternehmen erwachsen“, fasst Quauke rückblickend zusammen.
Er ist nicht der Einzige in der Team Steffen AG, der sich vom LIKA-Auszubildenden zu einer Führungsperson entwickelt hat. Der größte Teil der Mitarbeiter, die als LIKA-Azubis von Beginn an umfassendes Vertrauen, hohe Transparenz, ganzheitlichen Einblick in Unternehmensabläufe – und nicht zuletzt Wertschätzung – erfahren haben, leitet heute die sogenannten Leistungscenter für Gebäude- und Industrietechnik im Hause Steffen. „Unverzichtbare Voraussetzung für den Erfolg ist eine gelebte moderne, transparente Unternehmensorganisation und nicht zuletzt die Bereitschaft, neue Wege zu gehen: Transparenz über Geheimhaltung und Vertrauen über Kontrolle zu stellen“, weiß Rolf Steffen, Vorstand der Akademie Zukunft Handwerk, aus Erfahrung.
Digital gestütztes, kooperatives Lernen
Fachkräftemangel und Digitalisierung – für die beiden drängenden Probleme der Branche startet deutschlandweit gerade ein wegweisendes Projekt, LIKA 4.0: Digital gestütztes, kooperatives Lernen im Kundenauftrag. Mit LIKA 4.0 entwickeln die Kooperationspartner ein innovatives, digital gestütztes Ausbildungskonzept für die handwerkliche Berufsausbildung. Die Verknüpfung berufsbezogener Theorie mit praktischer Arbeitserfahrung wird durch moderne digitale Funktionen und Angebote unterstützt und verstärkt. Das Ergebnis ist eine optimale Verknüpfung aus Fach-, Sozial- und Methodenkompetenz.
Verantwortlich zeichnen Kooperationspartner aus Handwerk, Wissenschaft und Wirtschaft: das Institut Technik und Bildung (ITB) der Universität Bremen und die Digitalagentur Interlutions GmbH, Praxistransfer und -erprobung erfolgen durch die Team Steffen AG sowie zwölf weiteren Unternehmen aus dem SHK- und Elektrohandwerk, die Schlüsselpositionen hinsichtlich Innovationskompetenz im Netzwerk der Akademie Zukunft Handwerk einnehmen. Steuernder Partner ist die Akademie Zukunft Handwerk (AZH-AG) mit Sitz in Alsdorf, die umfangreiche Erkenntnisse und Erfahrungen aus vielen Jahren erfolgreicher Weiterbildungsangebote und -aktivitäten im Rahmen der Uptodate-Offensive beisteuert. Unter dem Dach der Akademie vereinen sich neben der Uptodate-Offensive, die Leistungsgemeinschaft der Profis im Handwerk, das Duale-Management-Studium für Bürokaufleute und Gesellen sowie ein breites Themenspektrum an Präsenz- und Online-Seminaren, Live-, Inhouse-, Telefon- und Vor-Ort-Trainings sowie Beratungen zu allen Herausforderungen eines modernen Handwerksunternehmens. Mit LIKA 4.0 fügt die Akademie Zukunft Handwerk ihrem Portfolio einen weiteren Baustein tragfähiger Konzepte zur Professionalisierung und Erfolgssteigerung von Handwerksunternehmen bei.