Auf Nullabstand geprüft

Brandschutzproblemen aus dem Weg gehen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diversen Urteilen die Koordinationspflicht auf Baustellen unter den einzelnen Gewerken bestätigt. Besonders brisant sind diese Urteile im Hinblick auf einzuhaltende Brandschutzvorschriften bei Durchführungen durch Brandschutzabschnitte. Einen Ausweg stellen für das SHK-Handwerk die gegen Fremdsysteme auf Nullabstand geprüften Brandschutzsysteme von Viega dar. Markus Berger, unter anderem Sachverständiger für baulichen und gebäudetechnischen Brandschutz (EIPOS) und Leiter des Kompetenzbereichs Brandschutz bei Viega, erklärt, warum mit Hilfe solcher Systeme die Prüfung zulässiger Belegungen von Schächten und Durchführungen erheblich einfacher wird.

Der Gesetzestext zur Verkehrssicherheitspflicht aus der Musterbauordnung 2002 (Änderungsstand 13.05.2016), § 3, ist bereits im 1. Absatz eindeutig: „Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden.“ Für jeden Fachhandwerker, der zum Beispiel im Rahmen von Sanierungsarbeiten im Geschosswohnungsbau Steigestränge auswechselt und damit Leitungen durch einen Brandschutzabschnitt unter Einhaltung der Brandschutzvorschriften neu legen muss, ist das bereits eine ziemlich deutliche Ansage. Die wird noch deutlicher, wenn man als Nächstes in das Strafgesetzbuch schaut. Dort heißt es in § 319 zum Thema „Baugefährdung“: „Wer bei der Planung, Leitung und Ausführung eines Baues […] gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Verkürzt: Stimmt der Brandschutz in der Durchdringung von Wänden oder Decken nicht, hat der ausführende Fachhandwerker – in aller Regel das Gewerk Heizung/Sanitär – ein richtiges Problem.

Doch warum gerade dieses Gewerk, selbst wenn es vielleicht eine Bauleitung gibt? Weil der SHK-Fachhandwerker insbesondere bei umfangreicheren Sanierungsmaßnahmen, zu denen häufig genug auch Lüftung oder Gebäudeautomation gehören, zwar selten den kompletten Auftrag hat – aber immer die Koordinationspflicht (mit den anderen Gewerken) des Auftragnehmers nach VOB. Das ist mittlerweile durch diverse Urteile des Bundesgerichtshofes bestätigt (Quelle: Juristische Reihe tenea; jurawelt.de; Bd. 49). Theoretisch hört sich das vernünftig und lösbar an. In der Praxis gibt es aber zahlreiche Probleme:

Wer belegt beispielsweise bei Schächten als Erster und wer als Letzter den ohnehin meist viel zu knappen Platz – und entscheidet dann darüber, ob die von Kollegen verarbeiteten Abschottungen gegen die eigenen Systeme geprüft und zugelassen sind?

Wer erstellt und plant die notwendigen Öffnungen oder Kernbohrungen, zum Beispiel durch Decken als Brandschutzabschnitt, und vor allem – wer verschließt sie später fachgerecht?

In der Regel wäre die Abstimmung zu solchen Belegungen ganz klar eine Aufgabe der Bauleitung, der Fachbauleitung Brandschutz respektive des zuständigen Fachplaners. Steht der aber, aus welchen Gründen auch immer, nicht als Ansprechpartner zur Verfügung, müssten sich die Gewerke untereinander verständigen und auf eventuelle Konflikte hinweisen. Aber die Baupraxis sieht oft anders aus und wird von Zeitdruck, Hektik, kurzfristigen Planänderungen und nicht zuletzt Sprachproblemen bestimmt.

 

Abstimmung notwendig

Spätestens beim Verschließen der Durchführung aber ist die Übereinstimmung mit den einschlägigen Regelwerken – sprich: den Verwendbarkeitsnachweisen wie Prüfzeugnisse oder Zulassungen – zu bestätigen. Das kann der qualifizierte SHK-Fachhandwerker für seine Arbeiten in aller Regel recht problemlos, wenn er sich entlang der als Bauarten (z. B. Rohrabschottungen) geprüften und zugelassenen Installationskomponenten und -systeme bewegt. Kritisch wird es, wenn in direkter Nachbarschaft andere Gewerke mit ins Spiel kommen: Die Bauart, die hier normalerweise völlig problemlos installiert werden kann, verliert dann möglicherweise allein schon durch die Nachbarschaft zu den anderen Systemen ihre Zulassung – wenn nicht die Prüfung und damit die Übereinstimmungserklärung gegenüber dem Fremdsystem vorliegen.

Die Komplexität des Themas nimmt künftig weiter zu. Hintergrund ist, dass sich das Prinzip der bauaufsichtlichen Zulassungen von ungeregelten Bauprodukten und Bauarten in absehbarer Zeit grundlegend ändern wird. Zur Harmonisierung mit EU-Vorgaben hat Deutschland die Musterbauordnung (MBO) novelliert und eine ergänzende Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) neu verfasst. Zumindest die MBO wird wohl in 2017 flächendeckend in gültiges Landesrecht überführt. Die Übernahme der MVV TB erfolgt anschließend Zug um Zug.

Für die Verwendbarkeit verschiedener Brandschutzabschottungen bedeutet das in naher Zukunft konkret:

Verfügt eine Abschottung über eine CE-Kennzeichnung nach der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 (harmonisierte Bauprodukte), ist keine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) mehr erforderlich. Die CE-Kennzeichnung dokumentiert bereits die Übereinstimmung mit europäischem Baurecht.

Trägt eine Abschottung eine CE-Kennzeichnung gemäß einer älteren EU-Verordnung, können zusätzliche Nachweise wie ein abP oder abZ erforderlich sein.

Aber:

Auch wenn das einzelne Bauprodukt „Rohrabschottung“ durch eine gültige CE-Kennzeichnung ein abP oder eine abZ verwendet werden darf, regelt die jeweilige Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB) der Bundesländer zukünftig, ob die Kombination von Bauprodukten zu einer Bauart – hier beispielsweise Rohre, Elektro- und Lüftungsleitungen mit ihren jeweiligen Halterungen und Abschottungen – in einem gemeinsamen Durchbruch zu den Sicherheitsbestimmungen des Bauwerks passt.

Sobald die VV TB in Kraft tritt, wird sie die „Bauregelliste B Teil 1“ ersetzen. Bis dahin aber gelten weiterhin die Mindestabstände von Rohrleitungssystemen und -abschottungen untereinander und gegebenenfalls zu anderen „fremden“ Systemen gemäß den jeweiligen Verwendbarkeitsnachweisen.

 

Mindestabstände in der Baupraxis

Wie die Vorgaben der Mindestabstände zwischen verschiedenen Rohrleitungssystemen die Baupraxis erschweren, zeigt folgendes Beispiel:

Das Rohrleitungssystem des Herstellers A kann je nach Verwendbarkeitsnachweis oder gemäß der Leitungsanlagen-Richtlinie (LAR) auf 50, 100 oder 200 mm Abstand zu Systemen der Hersteller B und C installiert werden – aber nicht zum Lüftungskanalsystem der Hersteller D oder E. Oder das Abwassersystem XYZ erlaubt mit der Brandschutzmanschette F zu benachbarten Rohrleitungssystemen einen Nullabstand – aber eben definitiv nur mit dieser einen Manschette, nicht mit der vermeintlich baugleichen des Herstellers G. Dann gelten wieder andere Abstände. Welche Mindestabstände einzuhalten sind, sollte zwar schon in der Planung bei der Produktauswahl berücksichtigt werden, ist aber in der Regel nicht zu leisten.

Damit hat jedes Gewerk, das beispielsweise Leitungen durch einen Brandschutzabschnitt legt, so oder so ein Problem: Das erste, häufig Heizung/Sanitär, hat zwar Platz – aber keine Idee, mit welchem zugelassenen System der nächste Kollege, hier: der Lüftungsbauer, kommt. Der hat zwar immer noch Platz, wenn auch weniger – aber müsste erst einmal prüfen, was bereits im Durchbruch installiert ist und ob das System so zugelassen ist und wie sich sein ebenfalls zugelassenes System dazu verhält. Und falls das wider Erwarten regelgerecht funktionieren sollte – dann hat spätestens Kollege 3 (hier: vielleicht der Elektriker) den schwarzen Peter, weil er weder Platz noch aller Wahrscheinlichkeit nach ein für die bereits arg durchmischte Belegungslage zugelassenes Installations- bzw. Abschottungssystem hat.

Die mögliche Lösung einer vorhabenbezogenen Bauartgenehmigung durch die oberste Bauaufsichtsbehörde sei an dieser Stelle außen vorgelassen, da sie häufig zeitaufwändig, mit Sicherheit aber kostentreibend ist.

 

Nullabstand mit System

Der praktikabelste Ausweg aus diesem „Ablaufdilemma“ auf der Baustelle sind – speziell aus Sicht des SHK-Gewerkes – möglichst flexible Systeme, die als Bauarten in unterschiedlichsten Kombinationen und Nennweiten idealerweise auf Nullabstand geprüft und zugelassen worden sind:

Erlaubt der Verwendbarkeitsnachweis den Nullabstand, ist definitiv der geringstmögliche Platzbedarf abgesichert. Die ausführenden Gewerke bedienen also mit ihren notwendigen Anforderungen den Wunsch der Bauherren und ihrer Architekten, möglichst wenig des aufwändig hergestellten umbauten Raums für Schachtkonstruktionen oder andere Durchführungen zu beanspruchen.

Die Installationen sind unter brandschutztechnischen Gesichtspunkten auch dann noch regelgerecht, wenn während der Realisierungsphase zum Beispiel andere Rohrmaterialien im Bereich der Entsorgungsleitungen als ursprünglich geplant eingesetzt werden.

Unabhängig von bereits bestehenden Schachtbelegungen, wie es häufig bei Sanierungen der Fall ist, bleibt die Entscheidungsfreiheit bezüglich Rohrdimensionen und -werkstoffen sowie die Kombination in der Belegung erhalten.

Gerade an diesem Beispiel wird zugleich der Unterschied der „offenen“ Systeme gegenüber den in sich als geschlossene Einheit geprüften Systemschächten deutlich.

 

Fazit

Die korrekte Schachtbelegung oder Wanddurchführung unter Brandschutzvorgaben lässt wenig Spielraum für frei gewählte Installationen. Während in der Praxis unter beengten Platzverhältnissen zum Beispiel beim Wärmeschutz durchaus Kompromisse eingegangen werden, sind beim Brandschutz die Rohrleitungen und ihre Abschottungen so exakt als Bauart definiert, dass es ohne eine vorhabenbezogene Bauartgenehmigung durch die oberste Bauaufsichtsbehörde nur „nicht wesentliche Abweichungen“ geben darf, um eventuelle marginale Abweichungen zu „heilen“. Ein besonders praxisgerechter und wirtschaftlicher Lösungsansatz sind daher Systeme, die mit den gängigen Rohrleitungen und Abschottungen in unterschiedlichsten Kombinationen auf Nullabstand geprüft und zugelassen wurden.

Nachschlagewerk

Alle relevanten Informationen zum Thema Brandschutz hat Viega in dem Nachschlagewerk „Anwendungstechnik für den baulichen Brandschutz“ veröffentlicht. Der kostenfreie Download ist zu finden unter www.viega.de/service/downloads. Darin enthalten sind sämtliche Nachweise und Prüfzeugnisse für Bauarten mit Viega Produkten sowie ein Musterformular für die Übereinstimmungserklärung. Prüfzeugnisse, Zulassungen und Fremdnachweise stehen im Download zudem nochmals separat zur Verfügung. So hat der Fachhandwerker stets alle erforderlichen Unterlagen parat – für die Installation und für eine erfolgreiche Brandschutzabnahme.

Neue Begriffe für Verwendbarkeitsnachweise

Die vollständige Neuregelung bauaufsichtlicher Zulassungen wird zwar erst mit der Ablösung der aktuell noch geltenden „Bauregelliste B Teil 1“ durch die Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB) der Bundesländer vollzogen sein. Doch schon jetzt müssen sich alle Beteiligten an neue Begrifflichkeiten und Verfahrensweisen gewöhnen, die durch die novellierte Musterbauordnung eingeführt werden:

• Die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) wird
abgelöst von der allgemeinen Bauartgenehmigung
durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt).

• Die Zustimmung im Einzelfall (ZiE) heißt künftig vor-
habenbezogene Bauartgenehmigung und kann durch
die oberste Bauaufsichtsbehörde des jeweiligen Bun-
deslandes erteilt werden. Sie wird erforderlich, wenn
die Verwendung einer Bauart in einem Bauwerk von der allgemeinen Bauartgenehmigung, dem allgemeinen
bauaufsichtlichen Prüfzeugnis oder der vorhabenbe-
zogenen Bauartgenehmigung wesentlich abweicht.

• Das allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis (abP)
bleibt wie gewohnt als Verwendbarkeitsnachweis für
Bauprodukte, aber auch für Bauarten wie dem Viega
Nullabstand bestehen.

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