Dezentrale Wohnraumlüftungssysteme

Lösungen für gesetzlich geforderte Standards

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) schreibt im Wohnungsbau für Neubauten die Pflicht vor, einen regelmäßigen Mindestluftwechsel sicherzustellen. Das Gleiche gilt, je nach Umfang der Maßnahme an der Gebäudehülle, auch für Sanierungen. Zentrale und dezentrale Lüftungssysteme spielen hier eine entscheidende Rolle.

Axialventilator. In der Lüftungstechnik arbeiten diese Ventilatoren vergleichbar einem Flugzeugpropeller. Sie werden in Push-Pull-Geräten verbaut.
Quelle: Pluggit

Axialventilator. In der Lüftungstechnik arbeiten diese Ventilatoren vergleichbar einem Flugzeugpropeller. Sie werden in Push-Pull-Geräten verbaut.
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Durch den Wunsch, Energie einzusparen, wurden die Anforderungen an die Dichtheit der Gebäudehülle in den letzten Jahren z. B. durch das GEG wesentlich verschärft. Neubauten und sanierte Häuser werden dadurch so dicht, dass eine ausreichende Luftqualität im Gebäude nicht mehr durch normales Lüftungsverhalten gesichert werden kann. Es müssten Tag und Nacht alle 2 bis 3 Stunden gegenüberliegende Fenster für ca. 10 Minuten geöffnet werden (abhängig von Wind und Außentemperatur). Diese Forderungen sind aber kaum zu erfüllen, so dass die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung oder des Gebäudes nicht mehr gewährleistet ist.

Fensterlüftung ist kontraproduktiv

Fensterlüftung ist auch energetisch gesehen kontraproduktiv. In einem internen Strategiepapier des renommierten Instituts für Technische Gebäudeausrüstung Dresden (iTG), das im Auftrag für die Pluggit GmbH erstellt wurde, kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die Lüftungswärmeverluste in modernen, energieeffizienten Gebäuden eine Größenordnung von 50 % und mehr erreichen können, bezogen auf die gesamten Wärmeverluste eines Gebäudes. Man wirft die Wärme buchstäblich zum Fenster hinaus. Neben der aus energetischen und hygienischen Gründen eher unsinnigen Möglichkeit, die Außenwand gezielt mit Löchern zu versehen („Außenwand-Luftdurchlässe“), bleibt nur die Option, die Mindestlüftung durch Ventilatoren sicherzustellen und sie zusätzlich mit einer Wärmerückgewinnung zu kombinieren.

Der Berliner Architekt und Stadtplaner Dr. Burkhard Schulze Darup hat einmal überschlägig ausgerechnet, dass sich rund 10 GW Leistung einsparen ließen, die nicht bereitgestellt werden müssten, wenn es gelänge, allein in jedem zweiten Haushalt in Deutschland eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung zu installieren.

Spektrum dezentraler Systeme 

Der große Vorteil von dezentralen Wohnraumlüftungssystemen im Vergleich zu zentralen Systemen ist, dass sie ohne Luftverteilsystem auskommen. Zentrale Anlagen sind mit einem erheblichen planerischen und baulichen Mehraufwand verbunden. Die Montage einer dezentralen Wohnraumlüftungslösung ist grundsätzlich einfacher, insbesondere im Fall einer Nachrüstung im Bestand. Sie kann außerdem im Bedarfsfall punktuell für einen bestimmten Raum installiert werden.

Die Technikbandbreite der dezentralen Wohnraumlüftung ist heute groß und lösungsindividuell. Beispielhaft zu nennen sind Einzelraumgeräte mit zwei Ventilatoren. Hier gibt es zwei verschiedene Bauarten: Axial- und Radialventilatoren. Axialventilatoren sind für den Einsatz in Ablufträumen gedacht. Die Ventilatoren ändern ihre Drehrichtung von Zu- auf Abluft. Die Kernlochbohrung hat hier einen Durchmesser von rund 160 bis 200 mm. Geräte mit Radialventilatoren sind technisch aufgebaut wie eine zentrale Wohnraumlüftungsanlage inklusive Wärmeübertrager und Filtern je Luftrichtung. Hier gibt es immer einen Zu- und Abluftventilator, eine Umkehrung der Drehrichtung erfolgt nicht. Diese Geräte haben einen größeren Kernlochbohrungsdurchmesser von bis zu 400 mm, der die gesamte Technik beinhaltet.

Es gibt zudem Einzelraumgeräte für zwei Räume: dezentrale Systeme, welche auch einen Nebenraumanschluss besitzen. Sie sind ebenfalls aufgebaut wie ein zentrales System. Der große Vorteil: Auch innen liegende Räume lassen sich mit einem Rohrsystem entlüften. Die Geräuschquelle (das Gerät) kann in einen Abluftraum installiert werden, die Ruheräume sind mit einem leitungsgebundenen Anschluss versehen. Der Nachteil besteht darin, dass die Technik umfangreicher ist. Damit sind größere Öffnungen in den Außenwänden nötig oder man hat das Gerät auf der Wand. In der Installationspraxis werden dezentrale Lüftungssysteme ausschließlich in einer Außenwand „waagerecht“ mit leichtem Gefälle realisiert, damit das Kondensat abgeführt werden kann.
Quelle: Pluggit

In der Installationspraxis werden dezentrale Lüftungssysteme ausschließlich in einer Außenwand „waagerecht“ mit leichtem Gefälle realisiert, damit das Kondensat abgeführt werden kann.
Quelle: Pluggit

Das Push-Pull-Prinzip

In der dezentralen Lüftungstechnik mit Wärmerückgewinnung ist das Push-Pull-Prinzip sehr verbreitet. Es gibt hier eine Abluft- (Pull) und eine Zuluft-Phase (Push). Die Wärme der Abluft wird beim Ausblasen in einem meist keramischen Wärmespeicher zurückbehalten. Die gespeicherte Abluftwärme wird dann in der Zuluftphase auf die Zuluft übertragen. Push-Pull-Geräte wechseln zwischen Zu- und Abluft in einem gewissen zeitlichen Intervall. In der Regel sind es 50 bis 90 Sekunden, je nach Gerät und Lüftungsstufe. Hier werden ausschließlich Axial-Ventilatoren eingesetzt. Diese saugen und blasen die Luft axial aus, vergleichbar mit einem Flugzeugpropeller. Die Geräte haben in der Regel eine Kernlochbohrung von rund 160 mm.

Auslegung nach DIN 1946-6

Entscheidend ist, dass die Anlagen richtig ausgelegt und effizient betrieben werden. Eine Anlage, die zu groß dimensioniert ist oder ungenutzte Räume belüftet, verschwendet selbst mit einem effizienten Ventilator Energie. Erhält ein Raum zu wenig Luft, ein anderer zu viel, wird die geplante Luftqualität nicht erreicht. Wie wird in der Praxis das optimal ausgelegt?

Eine Auslegung der Luftmengen erfolgt nach DIN 1946-6 mit herstellerspezifischen Auslegungsprogrammen. In der DIN 1946-6 wird eindeutig definiert, welche Luftmengen in welchem Raum benötigt werden. Auch ungenutzte Räume müssen zum Schutz vor Schimmelbildung belüftet werden, aber mit einer wesentlich geringeren Luftmenge. Hierzu gibt es Feuchtesensoren, welche die Luftmenge automatisch den gegebenen Verhältnissen anpassen. Der Nutzer hat dann immer die Wahl, ob er die Luftmengen selbst einstellen möchte, auch auf die Gefahr hin, dass zu viel gelüftet wird. Oder er kann bequem den Automatikmodus einstellen und somit die optimale Belüftung erhalten. In der DIN 1946-6 sind alle Anforderungen wie Auslegung, Ausführung, Inbetriebnahme, Übergabe und Instandhaltung definiert und beschrieben. Für die Installation gelten zusätzlich die herstellerspezifischen Angaben. Lüftungssysteme spielen heute eine zentrale Rolle im Wohnungsbau bei immer dichter werdenden Gebäudehüllen. Dezentrale Systeme haben den Vorteil, dass sie individuell und sehr flexibel realisierbar sind. Im Bild das Fassadengitter eines Laibungselements.
Quelle: Pluggit

Lüftungssysteme spielen heute eine zentrale Rolle im Wohnungsbau bei immer dichter werdenden Gebäudehüllen. Dezentrale Systeme haben den Vorteil, dass sie individuell und sehr flexibel realisierbar sind. Im Bild das Fassadengitter eines Laibungselements.
Quelle: Pluggit

Installationspraxis Außenwand

Die Installation kann ausschließlich in einer Außenwand „waagerecht“ mit leichtem Gefälle nach Außen erfolgen. Das liegt daran, dass Kondensat anfallen kann und nach außen abgeführt werden muss. Bei einem Einbau in einer Decke würde das Kondensat in den Raum laufen. Da die gesamte Technik bei dezentralen Systemen mit in der Wand verbaut werden muss, benötigt man eine Mindestwandstärke von 240 mm. Es gibt vereinzelt auch Geräte, welche nur 140 mm benötigen. Hier geht aber die Kürze zulasten der Luftleistung und der Wärmerückgewinnung, welche dann nur noch ca. 72 % beträgt.

Arten der Wärmerückgewinnung

Die Wärmerückgewinnung in Lüftungssystemen ist heute Voraussetzung für die Förderung nach BEG-EM oder den Steuerabzug. Bei dezentralen Anlagen gibt es grundsätzlich zwei Arten der Wärmerückgewinnung: regenerativ und rekuperativ. Bei der regenerativen Wärmerückgewinnung kommen die Zuluft und die Abluft mit der gleichen Oberfläche in Berührung (Push-Pull-Geräte mit Wärmespeicher). Der Wärmerückgewinnungsgrad dieser Systeme liegt bei bis zu 94 %, bezogen auf die „trockene“ Enthalpie, also ohne Feuchtigkeit. Einige dieser Wärmeübertrager können neben der Wärme auch Feuchte zurückgewinnen.

Bei der rekuperativen Wärmerückgewinnung sind die Luftströme getrennt. Der Wärmeaustausch erfolgt über einen feststehenden Wärmeübertrager im Kreuzstromprinzip.

Grenzen dezentraler Wohnraumlüftung

Die dezentrale Wohnraumlüftung hat ihre Grenzen, von denen manche technisch gesehen objektiv sind und andere, die ggf. subjektiv individuell empfunden werden. So können Ventilatoren in Ruheräumen als störend betrachtet werden. Wenn die Geräte dann auf niedrigerer Stufe laufen, um die Betriebslautstärke zu reduzieren, bringen sie eventuell nicht mehr die benötigte Luftleistung. Die Hersteller von dezentralen Lüftungsanlagen arbeiten permanent daran, dass die Geräte immer leiser und zugleich leistungsstärker werden. Die Ergebnisse sind aber heute schon sehr gut. Für die Installation von dezentralen Wohnraumlüftungsgeräten genügt eine Kernbohrung durch die Außenwand. Im Bild der Aufbau des Einstiegsmodells iconVent 160 von Pluggit.
Quelle: Pluggit

Für die Installation von dezentralen Wohnraumlüftungsgeräten genügt eine Kernbohrung durch die Außenwand. Im Bild der Aufbau des Einstiegsmodells iconVent 160 von Pluggit.
Quelle: Pluggit

Push-Pull-Geräte sind nicht immer windstabil. Das bedeutet, dass sie bei einem starken Wind dem Winddruck nicht standhalten und ggf. die volle Ventilatorleistung nicht mehr erbracht wird. Da mit einem Speichermedium gearbeitet wird, erfolgt im Zuluftfall kein gleichmäßiger Temperaturverlauf. Eine weitere Restriktion: Es können keine innen liegenden Räume entlüftet werden, weil dezentrale Geräte praktisch Außenwandgeräte sind. Bei starkem Anfall von Schall (Straßen- oder Fluglärm) haben die Push-Pull-Anlagen außerdem ihre Grenzen und sind deshalb nicht überall einsetzbar. Diese Faktoren sind im Einzelfall zu prüfen.

Ein Fazit

Die Vielfalt in der Technik und die Leistungsfähigkeit dezentraler Lüftungssysteme erlauben individuelle Lösungen fast jeder Natur. Allerdings haben die Systeme auch ihre Grenzen, etwa hinsichtlich der baulichen Voraussetzungen. Im Gespräch mit dem Kunden gilt es zu erläutern, welche Konzeption am Ende geeignet ist. Viele am Bau Beteiligten sehen in den dezentralen Geräten immer noch die preiswerteste Lösung. Dezentrale Lüftungssysteme werden weiter ihren Platz in der Wohnraumlüftung auch im Neubau behalten. Mit ihren guten Wärmerückgewinnungsgraden können sie selbst in KfW-40-Häusern anrechenbar verbaut werden. In der Gebäudesanierung sind sie eine starke Option. Technisch gesehen wird an den Geräten weiter intensiv geforscht und entwickelt. Sie werden in Zukunft noch leistungsstärker und dabei auch noch leiser, als sie es heute ohnehin schon sind.

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