Neues Wohnensemble auf geschichtsträchtigem Grund

Wohnanlage mit nachhaltiger Technik ausgestattet

Jeder Wandel birgt Chancen – und fordert doch meist Opfer. Etwa für Berufe, die verschwinden, weil die darin gefertigten Produkte nicht mehr benötigt werden und Dienstleistungen sich geändert haben. Wie beispielsweise die Gesangbuch-fabrik J. Schäffer im pfälzischen Grünstadt, gegründet 1865. 2006 musste das Werk geschlossen werden. Der seitdem andauernde Dornröschenschlaf des altehrwürdigen Gebäudes wird nur hin und wieder durch Ausstellungen des örtlichen Kultur­vereins unterbrochen. Anders erging es dem östlich der alten Fabrik gelegenen Gelände: Auf dieser Baulücke plante die Bauherrengemeinschaft Gesangbuchfabrik Grünstadt eine Wohnanlage der besonderen Art.

Entstanden sind 2019 insgesamt sechs Gebäude. Drei Einfamilienhäuser, die in Holzrahmenbauweise erstellt wurden und mit einer Lüftungsheizung umweltfreundlich und komfortabel beheizt werden  Die drei weiteren Gebäude sind Mehrfamilienhäuser in Massivbauweise mit je drei Staffelgeschossen – Bauherren und Architekt Dipl.-Ing. Frank Wolf vom Büro P4-Architekten BDA in Frankenthal verfolgten hier ein Energiekonzept, basierend auf der Wärmepumpentechnologie, das Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit in höchstem Maße vereint. Zwei Baukörper sind wie ein Doppelhaus ausgeführt, sie enthalten jeweils zehn Wohnungen. Im dritten sind sechs Wohnungen entstanden.

Durchgängiges Ensemble

Ziel der rund zwanzig Bauherren war es, eine bewusst heterogene Zusammensetzung der späteren Bewohner, also Familien und Alleinstehende ebenso wie Berufstätige und Pensionäre, zu erzielen. Dabei war es nicht leicht, den Vorstellungen aller Bauherren gerecht zu werden. Die größte Herausforderung bestand darin, eine Wohnanlage zu schaffen, die für alle Bewohner ein gemeinschaftliches Wohnen im urbanen Raum bietet, allerdings auch genügend Rückzugsmöglichkeiten für jeden lässt.

Die Kontakt- und Erschließungszone liegt im Zentrum der Wohnanlage. Bei der Ausrichtung der Gebäude bzw. Wohnungen hat der Architekt auf eine spannungsreiche, aber wohlstrukturierte Abfolge der Baukörper gesetzt. Die Materialkontinuität der Fassaden – einheitlich in hellem Klinker gehalten – unterstützt die Wirkung eines durchgängigen Ensembles, das tatsächlich wie ein kleiner Stadtteil wahrgenommen wird. Die Einfamilienhäuser umfassen zwei Stockwerke, die rund 12,50 m hohen Mehrfamiliengebäude orientieren sich dagegen an der alten Gesangbuchfabrik in der unmittelbaren Nachbarschaft. An den jeweiligen Rückseiten dominieren große Fensteröffnungen hin zu den Terrassen und Balkonen beziehungsweise Loggienen. Weil sie verschachtelt sowie vor- und rückversetzt angeordnet sind, erlauben sie keine gegenseitigen Einblicke, so dass jedem Bewohner Privatsphäre in seiner Wohneinheit gewährleistet ist.

Nachhaltig gebaut und hochwertig ausgestattet

Sämtliche Häuser sind durchweg hochwertig ausgestattet. Sie wurden nachhaltig konzipiert und sind mit einer Kerndämmung versehen. Bei der Auswahl der Baustoffe hatte Nachhaltigkeit oberste Priorität, zum Einsatz kamen umweltgerechte sowie wasserlösliche Baumaterialien. Auf Dämmeigenschaften nach einem KfW-Energiestandard (wie KfW 55) hat die Bauherrengemeinschaft bewusst verzichtet, weil die angestrebte Energieeinsparung über eine effiziente Anlagentechnik mit Stiebel Eltron (www.stiebel-eltron.de) erzielt werden sollte – mit Warmwassererwärmung über Speicher – sowie später in der Nachrüstung zusätzlich mit PV-unterstützten Stromspeichern.

Dezentrale Geräte zur Wohnraumlüftung gewährleisten den Luftaustausch, sie beugen in der dichten Gebäudehülle Feuchtigkeit und somit Schimmel vor. Außerdem steht so immer ausreichend Frischluft bei minimalem Wärmeverlust zur Verfügung. Für Frank Wolf und Manfred Maro vom SHK-Fachbetrieb Rema, die den Architekten bei der haustechnischen Planung beratend unterstützten und später die Ausführung übernahmen, bedeutet diese Kombination Selbstbestimmung und Zukunft, zumal Eigenstrom nicht nur Nachhaltigkeit garantiert, sondern auch dauerhaft niedrige Kosten. Zudem sind bereits alle Vorkehrungen getroffen, um später einen Stromspeicher nachzuinstallieren.

Kostenersparnis durch Wärmepumpe

Um die mehrgeschossigen Wohngebäude auf wirtschaftlich und energetisch sinnvolle Weise beheizen zu können, kommen drei außen aufgestellte Luft-/Wasser-Wärmepumpen „WPL 57“ von Stiebel Eltron zum Einsatz. Jeweils ein Pufferspeicher „SBP 1000 E“ und ein Wärmepumpenmanager befinden sich pro Gebäude in einem Technikraum. Die Wärmepumpen sorgen für die Erzeugung von Raumwärme, wobei die Wärmeübergabe an Flächenheizungen erfolgt. Aus einer Kilowattstunde Strom Antriebsenergie erzeugt die leistungsstarke Luft-/Wasser-Wärmepumpe bis zu vier und mehr Kilowattstunden Heizenergie. Die maximale Heizleistung eines Gerätes liegt bei knapp 30 kW.  Da die Wärmepumpe mit Inverter-Technologie ausgestattet ist, passt sich die Verdichterdrehzahl stufenlos exakt dem benötigten Heizwärmebedarf an.

Bei der Warmwasserbereitung entschieden sich Bauherren und Architekt bewusst für eine dezentrale Lösung mit 100-l-Wandspeichern „SHZ LCD“ von Stiebel Eltron. Jede Wohnungseinheit verfügt über ein Gerät und stellt mit kurzen Wegen zu den Verbrauchsstellen warmes Wasser bereit – konstant, mit hoher Effizienz und bei Bedarf bis 85 °C. Drei automatische Eco-Funktionen ermöglichen den Nutzern die individuelle Anpassung der Leistung an ihren Warmwasserbedarf. So senkt der Modus „Eco Comfort“ die Temperatur automatisch auf 60 °C. „Eco Plus“ reduziert den Ladegrad, so dass nur ein Teil des Speicherinhalts auf Temperatur gehalten wird. Dies ist besonders günstig, wenn zeitweise nur wenig warmes Wasser benötigt wird. Die Funktion „Eco Dynamic“ ermöglicht eine automatische intelligente Anpassung an das individuelle Zapfverhalten.

Gerade in Mehrfamilienhäusern gilt eine dezentrale Warmwasserversorgung als besonders effizient, da die Geräte das kalte Wasser direkt an der Entnahmestelle erwärmen. So müssen keine großen Wassermengen zentral vorgeheizt und durch lange Leitungen geführt werden. Denn auf dem Weg zu den Entnahmestellen geht viel Energie verloren. Zudem steigt die Gefahr von Bakterien im vorgewärmten Wasser, je länger warmes Wasser steht. Bei nicht dauerhafter Zirkulation – die wiederum Energie brauchen würde – besteht zudem die Gefahr, dass sich das Warmwasser in den Leitungen abkühlt und somit in Temperaturbereiche gelangt, in denen sich Legionellen vermehren können. All diese Probleme schließen dezentrale Warmwasserbereiter mit modernster Technologie aus.

Fachplaner und Architekt an einem Tisch

Für Architekt Frank Wolf kann eine Energiebilanz nur in Erfolg münden, wenn beide Gewerke schon in früher Entwurfsphase partnerschaftlich zusammenarbeiten. Entsprechend ging man mit diesem Ansatz an die Verehelichung von Bauphysik und Haustechnik heran. „Wir stellten uns die Frage, wie müssen wir bauen und dämmen, um mit Luft-/Wasser-Wärmepumpen nebst dezentraler Eco-Warmwassergeräte, PV-Fläche und Stromspeichern nahezu energieautark zu sein,“ berichtet Frank Wolf. Vor allem die zuletzt genannte Komponente belastet bekanntlich das Budget. Noch, denn Lithium-Ionen-Batteriespeicher zur Eigenversorgung mit selbst erzeugtem Strom werden zukünftig kostengünstiger. Dann will die Bauherrengemeinschaft ihre Haustechnik-Anlagen vervollständigen und sowohl Photovoltaik als auch die Stromspeicher realisieren. 

In Zukunft also braucht das Wohnhaus-Ensemble auf dem Gelände der ehemaligen Gesangbuchfabrik in Grünstadt kaum mehr fremde Heizenergie. Und ist einmal alles komplett installiert, dann gibt es wohl auch warmes Wasser zum Nulltarif.

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