Rituale bei der Freisprechung

Frisch Gesellen, seid zur Hand

Auch in diesem Frühjahr haben viele Lehrlinge wieder ihre Freisprechung. Dabei ist dieses freudige und wichtige Ereignis nicht der Abschluss des Lernens, sondern nur der Auftakt zum ständigen Erneuern und Ausbauen seines Wissens. Oft bekommen die zukünftigen Gesellen bei ihrer Freisprechung nur ihren Gesellenbrief in die Hand gedrückt, vielleicht noch mit einem Schulterklopfer und einem Händedruck. Doch es kann auch anders sein.

Das alte Handwerkersprichwort „Meister – bin ich, Geselle – war ich, Lehrling werde ich immer sein“ ist heute aktueller denn je. In einer Zeit, in der schnelles und sauberes Arbeiten sowie lebenslanges Lernen gefordert ist, muss man ständig mit seinem Know-how in Sachen Produkte, Installation und Kosten auf dem neusten Stand sein, damit sein Betrieb am Markt bestehen kann. Traditionen und Bräuche, wie es sie früher gegeben hat, kommen dabei zu kurz. So hatten einige Zünfte bei ihren Freisprechungen ganz eigene Riten und Rituale. Das Druckerhandwerk hält das sogenannte Gautschen ab. Dabei nennt man auch den ersten Entwässerungsschritt nach dem Schöpfen des Papiers so, allerdings wird der Neu-Geselle nicht entwässert, sondern im Gegenteil ordentlich nass gemacht. Dazu wird er nach bestandener Abschlussprüfung im Rahmen seiner Freisprechung in einer Bütte untergetaucht, wahlweise reicht auch ein nasser Schwamm – wichtig ist jedoch, dass das Hinterteil ordentlich nass wird. Für diejenigen, denen das Ganze noch zu trocken ist, sei gesagt, manche Druckereien ziehen auch einen Brunnen vor – da bleibt dann garantiert nichts mehr trocken und alle schlechten Gewohnheiten aus der Lehrzeit sind weggewischt.

Bei den Steinmetzen erhält der Geselle eine neue Schürze, die mit einem Spitzeisen dreimal durchbohrt wird. Am nächsten Arbeitstag müssen die Löcher eigenhändig umsäumt worden sein. Dabei kommt es auch auf die Qualität der Umsäumung an. Anschließend werden die Bierkrüge geleert und das Steinmetzlied angestimmt. Dann wird ein Mahl aufgetragen und ordentlich gefeiert.

Auch das Töpferhandwerk hat seine Bräuche, die auch heute noch praktiziert werden. So wurden diese erst im letzten Sommer wieder zwei Lehrlingen zuteil, die ihre Gesellenprüfung bestanden hatten. Die Töpferei Jung aus Glashagen vollzog mit ihnen ihre Gesellentaufe – standesgemäß mit „Schlammbad“, „Drehen“, „Glasieren“ und anschließendem „Brennen“. Die Lehrlinge haben es wohl überlebt. Anschließend gab es gutes Essen und Getränke.

Auch wenn solche Bräuche den meisten Lehrlingen wohl nicht gefallen dürften, verbindet man mit ihnen doch Tradition und Gemeinschaftsgefühl, das in der heutigen Zeit oft zu kurz kommt. Statt einem Händedruck könnte auch heute den Lehrlingen bei einer Gesellentaufe etwas Wasser nicht schaden, kommen sie im Berufsleben gerade als Sanitärspezialisten ja noch oft genug damit in Verbindung.

Der Stolz auf sein Handwerk spiegelt sich in solchen Freisprech­ungs-Ritualen wider, der auch dafür sorgen kann, dass die geleisteten Arbeiten mit der nötigen Sorgfalt ausgeführt werden – da sind wir dann wieder im Hier und Jetzt, denn auch heute zählt die Qualität der Arbeit wie eh und je.

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