Flachdachsanierung
Bemessung von Dachentwässerungssystemen
In einem Zeitraum von 34 Jahren kann sich an einem Firmengebäude vieles verändern – vor allem bei der Dachentwässerung. Diese Erfahrung machte das Unternehmen Groz-Beckert, als es 2014 ein Gebäude aus dem Jahr 1982 erstand. Verstopfte Dachabläufe, eine fehlende Notentwässerung und überholte normative Vorgaben – vieles sprach für eine Sanierung des vorhandenen Dachentwässerungssystems. Doch worauf muss beim Einbau einer neuen Anlage geachtet werden?
Das Traditionsunternehmen Groz-Beckert, Anbieter von industriellen Maschinennadeln und Feinwerkzeugen, unterstützt seine Kunden und Partner mit knapp 8.000 Mitarbeitern umfassend in der gesamten textilen Wertschöpfungskette. Auch die Erschließung neuer, textiler Anwendungsfelder spielt im Konzern eine wichtige Rolle: 2013 gründete Groz-Beckert (www.groz-beckert.com) das Tochterunternehmen solidian (www.solidian.com), in dem seither alle Aktivitäten rund um textile Bewehrungen – beispielsweise aus Glas oder Carbon – gebündelt werden.
Um dem jungen Start-up auch räumlich optimale Bedingungen zu ermöglichen, erwarb das Unternehmen ein älteres Gebäude in unmittelbarer Nähe zum Stammsitz in Albstadt.
Komplettsanierung
Als Groz-Beckert das Gebäude übernahm, wollte es das Dach ursprünglich nur dämmen. „Bei der genaueren Untersuchung des Zustands haben wir jedoch festgestellt, dass die Dachabläufe teilweise verstopft waren. Auch die Dämmwolle war stellenweise durchnässt, so dass wir eine vollständige Dämmung vornehmen mussten“, erklärt Hans Kromer, Leiter Betriebstechnik. Hinzu kamen weitere Schwierigkeiten wie überholte normative Vorgaben, zwei Flachdächer auf unterschiedlichen Ebenen, deren Entwässerung an einer gemeinsamen Fallleitung angeschlossen war, sowie unterdimensionierte Rohrleitungen.
Groz-Beckert entschied sich daher für eine komplette Sanierung des Dachentwässerungssystems. Dabei setzte das Unternehmen aufgrund positiver Erfahrungen auf das Know-how und die Produkte von Geberit (www.geberit.de).
Doch vor dem Einbau eines neuen Systems musste die vorhandene Regenentwässerungsanlage korrekt bemessen und dimensioniert werden. Dabei sind Faktoren wie die örtliche Regenspende, die Dachgrundfläche sowie der Spitzenabflussbeiwert sehr von Bedeutung. Darüber hinaus gilt es zu überprüfen, ob das Gebäude über eine Notentwässerung verfügt, denn seit 2002 ist diese verbindlich vorgeschrieben.
Örtliche Regenspende definieren
Die örtliche Regenspende r (D, T), eine Kenngröße zur Berechnung von anfallenden Regenwassermengen, hat einen maßgeblichen Anteil an der Dimensionierung der Regenentwässerungsanlage. Aus der Regenspende in Abhängigkeit zur Regendauer ergibt sich die Regensumme. Für die Bemessung von Dachentwässerungssystemen sind die Regenspende in einer Regendauer von meist fünf Minuten sowie die Jährlichkeit des Regenereignisses von Bedeutung. Für die Flachdachentwässerung wird nach DIN 1986-100 ein fünfminütiger Fünfjahresregen r (5,5) für die Hauptentwässerung und ein fünfminütiger Jahrhundertregen r (5, 100) zur Auslegung der Notentwässerung angesetzt. Die Norm schreibt vor, dass das Hauptentwässerungs- und Notüberlaufsystem gemeinsam mindestens das am Gebäudestandort über fünf Minuten zu erwartende Jahrhundertregenereignis entwässern muss. Das vorhandene Dachentwässerungssystem wurde vor der Sanierung mit einer Regenspende von mindestens 150 l/s ha bemessen. Für gegenwärtige Regenereignisse ist das nicht mehr aktuell. Der zur Zeit der Sanierung gültige Wert für das fünfjährige Regenereignis liegt in Albstadt bei 339,6 l/s ha, für den Jahrhundertregen bei 636,2 l/s ha.
Abflussbeiwert überprüfen
Eine weitere wichtige Berechnungskomponente bei der Ermittlung der erforderlichen Größen von Flachdachentwässerungen ist der Spitzenabflussbeiwert (Cs). Dieser berücksichtigt die ↓
Sickerfähigkeit und den Regenwasserabfluss von Dachflächen. Der Spitzenabflussbeiwert ist dabei abhängig von der Art der Dachfläche und wird in der DIN 1986-100 beschrieben. Das Flachdach von Groz-Beckert wurde vor der Sanierung als Kiesdach ausgeführt und hatte einen Spitzenabflussbeiwert von 0,5. Weil das Flachdach danach als Foliendach ausgeführt wurde, änderte sich der Wert auf 1,0.
Normative Vorgaben
Die dritte Größe, die bei der Dimensionierung der Regenentwässerungsanlage hinzugezogen werden muss, ist die Dachgrundfläche. Bei Groz-Beckert beträgt diese etwa 7.000 m². Die Schwierigkeit bei der Sanierung: Das Flachdach von Groz-Beckert besteht aus zwei Teilen, die sich auf unterschiedlichen Ebenen befinden und durch einen Höhenunterschied von über einem Meter voneinander getrennt liegen. Das Problem bestand darin, dass beide Flachdächer vor der Sanierung an einer gemeinsamen Fallleitung angeschlossen waren, was heute nicht mehr zulässig ist. Aus diesem Grund mussten die Rohrleitungen voneinander getrennt werden: Eine wurde an die bestehende Grundleitung, die andere an die Kanalisation angeschlossen.
Notentwässerung
Darüber hinaus wurde vor der Sanierung der beiden Flachdächer überprüft, ob das Gebäude über eine Notentwässerung verfügt. Auf dem Flachdach von Groz-Beckert war zum Zeitpunkt der Überprüfung kein Notentwässerungssystem vorhanden, weil bei der Gebäudeerrichtung der Einbau einer solchen normativ nicht vorgeschrieben war. „Seit 2002 schreibt die DIN 1986-100 (zuständig für die Planung und Ausführung von Gebäudeentwässerung) vor, dass jede Dachfläche bzw. jeder durch die Dachkonstruktion vorgegebene Tiefpunkt über eine Notentwässerung verfügen muss. Die anfallenden Wassermengen der Notentwässerung dürfen nicht in das öffentliche Abwassernetz abgeleitet werden, sondern müssen auf eine schadlos überflutbare Fläche auf dem Grundstück entwässert werden“, erklärt Johannes Demischew, Produktmanagement Rohrleitungssysteme bei Geberit.
Die DIN 1986-100 schreibt außerdem vor, dass das Not- nicht an das Hauptentwässerungssystem angeschlossen werden darf, an dem bereits das Dachablaufsystem angeschlossen ist. Demischew: „Anderenfalls würde es zu einer Überlastung des Leitungssystems und somit zu einer unzulässigen Wasseraufstauung auf dem Dach kommen.“ Bei Groz-Beckert wurde das fehlende Notentwässerungssystem mit einer Attikaentwässerung gelöst.
Fazit
Bei einem sanierungsbedürftigen Dach müssen nicht nur die Anforderungen an eine zeitgemäße Dämmung erfüllt, sondern auch die Entwässerungsleistung des Dachentwässerungssystems geprüft werden. Aus diesem Grund sollten bei der Sanierung einer Dachentwässerung bereits im Vorfeld Faktoren wie die Regenspende, der Spitzenabflussbeiwert, aber auch die Notentwässerung überprüft werden.
Durch das Dachentwässerungssystem „Geberit Pluvia“ konnte die Sanierung des Gebäudes norm- und bedarfsgerecht ausgeführt werden.
Die örtliche Regenspende wird nach Kostra-DWD-2000 vom Deutschen Wetterdienst herausgegeben. Der Name des Starkregenkatalogs steht für „Koordinierte Starkniederschlags-Regionalisierungs-Auswertung“. Die Datenbank umfasst umfangreiche Dokumentationen historischer Regenereignisse und statistischer Berechnungen, die zwischen 1951 und 2000 deutschlandweit an 5.000 Messstationen erfasst wurden.
„Geberit Pluvia“
Die Dachwassereinläufe von „Geberit Pluvia“ sind so konstruiert, dass sich die Rohre komplett mit Wasser füllen, ohne dass Luft eintritt. Dabei kann das System bis zu 25 l Wasser pro Sekunde und Dachwassereinlauf abführen. Werden die Rohrleitungen vollgefüllt, entsteht ein Unterdruck, der das Regenwasser absaugt statt es abfließen zu lassen. Durch die hohe Fließgeschwindigkeit wird ein Selbstreinigungseffekt der Rohrleitung erzielt. Zusätzlich bewirkt die hohe Fließgeschwindigkeit, dass weniger Rohre, kleinere Rohrdimensionen und weniger Dachwassereinläufe zur Flachdachentwässerung nötig sind.